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FOTO: YEMELYANOV/DDP

Man findet sie inzwischen in vielen Städten – so wie früh morgens am Columbiadamm in Berlin. Paketzusteller aus Osteuropa, die bei offener Schiebetür einen Blick in ihre Lieferwagen preisgeben. Manche liegen noch auf einem aufgefalteten Karton in einem Schlafsack. Andere stehen schon im nächsten Gebüsch für die morgendliche Notdurft. 10–12 Stunden später werden sie in Berlin und andernorts noch immer Pakete ausfahren, die sie an einem der deutschlandweit tausenden Zustellpunkten verschiedener Logistikunternehmen aufladen. Kaum eine Branche ist vor allem seit Beginn der Corona-Pandemie und dem boomenden Online-Handel so gewachsen wie die Paketzustellung. Und kaum eine Branche beschäftigt so viele Menschen zu so unwürdigen Bedingungen.

Mit ihren bundesweit 36 Paketzentren, 270 Zustellbasen und über 2.600 Zustellstützpunkten ist die Deutsche Post DHL noch die größte Zustellerin. Seit dem Sommer 2019 arbeiten auch die Zusteller*innen der DHL-Tochter Delivery nach anhaltendem Druck von ver.di und der Beschäftigten wieder unterm Haustarifvertrag der DHL. Deutlich anders sieht es bei den anderen großen Zustellern aus. Hermes beschäftigt rund 70 Prozent Subunternehmer, GLS und DPD arbeiten ausschließlich mit Subunternehmern. Aber alle lassen oft bis in den späten Abend hinein arbeiten. Selbst bei der DHL liefern die Zusteller*innen bis zu 10 Stunden am Tag aus.

In der jüngsten Analyse des Bundesverbandes Paket und Expresslogistik (BIEK) heißt es im Vorwort: "Danke an mehr als eine Viertelmillion Zustellerinnen, Zusteller und andere Menschen, die in den Kurier-, Express- und Paketunternehmen (KEP) arbeiten. Sie waren es, die während der Pandemie uns alle sicher versorgt haben." Für den Dank können sich viele Zusteller*innen nichts kaufen, sie zählen zu den Sub-Subunternehmern, die nach wie vor zu miesen Bedingungen im Akkord Pakete zustellen. Oft verdienen sie nur die Hälfte dessen, was Beschäftigte der DHL bezahlt bekommen.

In der Analyse des BIEK ist von ihnen keine Rede, von den Einkommen der Zusteller*innen generell nicht. Es wird nur mit Zuwächsen geprotzt. Mit knapp 11 Prozent mehr Zustellungen in 2020 im Vergleich zum Vorjahr. Insgesamt wurden im vergangenen Jahr über 4 Milliarden Pakete zugestellt, das sind im Schnitt pro Tag 13 Millionen Pakete. Täglich werden Paketberge abgetragen. Auch rund 11.000 zusätzliche Jobs habe man in der Branche geschaffen. Über die teils prekären Bedingungen fällt kein Wort.

Pakete bis zu 70 Kilogramm

ver.di fordert seit Jahren – und das nicht nur zur Weihnachtszeit – faire und gute Arbeitsbedingungen für alle Beschäftigten in der Zustellung. Es geht um die Bezahlung, aber auch um die Arbeitszeiten und das Gewicht der Pakete. Pakete bis zu 70 Kilogramm werden laut dem BIEK zugestellt, 31,5 Kilo sind in der Regel das Höchstgewicht. ver.di fordert hingegen eine Begrenzung auf 20 Kilo und eine Begrenzung der Anzahl der täglich auszuliefernden Pakete. ver.di fordert zudem das Einhalten der geltenden Obergrenzen des Arbeitszeitgesetzes, das Einhalten des Mindestlohns von alsbald 12 Euro pro Stunde und die Eigenbeschäftigung der Zusteller bei den großen KEP-Dienstleistern. "Das Modell der Scheinselbstständigkeit bei den Zusteller*innen muss genauso gesetzlich unterbunden werden, wie die komplette Auslagerung der Sendungszustellung an Subunternehmen oder Sub-Subunternehmen. Unsere Kolleg*innen gehören unter den Schutz der betrieblichen Mitbestimmung und von Tarifverträgen", so die stellvertretende ver.di-Vorsitzende Andrea Kocsis.

Tatsächlich steigt die Zahl der Zusteller*innen stetig, die bei Subunternehmen angestellt oder als Sub-Subunternehmer scheinselbstständig sind. Bei GLS, DPD, Hermes und auch Amazon arbeiten letztere nahezu alle ohne den Schutz eines Tarifvertrages. 17,3 Milliarden Euro haben die großen Unternehmen allein 2020 erwirtschaftet, auch wegen dieser Zustände, die billigend in Kauf genommen werden. Angesichts der 22 Millionen Pakete, die dieser Tage täglich zugestellt werden, dürfte auch dieses Jahr ein Rekordjahr werden. Frohe Weihnachten also? Für ganz viele Beschäftigte leider wieder nicht.