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Foto: Guia Besana/Agence VU/laif

Mein Name ist Jolanda Rumeo-Ciaola, ich bin Erzieherin und habe mich im März dieses Jahres an meinem Arbeitsplatz im Kinderhaus Neckarstadt-West mit Corona infiziert und bin erkrankt. Ich möchte Ihnen meine persönlichen Erfahrungen mit der Erkrankung schildern und an Sie appellieren, das pädagogische Personal in den Einrichtungen besser zu schützen. Keine der Mitarbeiter*innen soll mehr so einen Schicksalsschlag wie meine Familie und ich erleiden müssen.

Nachdem ich am 17.3.2021 positiv auf Corona (Sars-CoV2) getestet wurde, verschlechterte sich mein Zustand in den folgenden Tagen stark; ich hatte schwere Symptome und war tagelang ans Bett gefesselt. Zudem kam noch die große Sorge um meinen Mann, der Risikopatient war und den ich angesteckt hatte. Inzwischen war auch er erkrankt.

Sein Zustand verschlechterte sich von Tag zu Tag so rapide, dass er ins Krankenhaus eingeliefert und ins künstliche Koma versetzt wurde. Vier Wochen kämpfte mein Mann dort um sein Leben, es war ein einziges Auf und Ab. Ich durfte nicht zu ihm, sondern nur zweimal täglich anrufen, um mich nach seinem Zustand zu erkundigen. Täglich hielt ich Kontakt mit unseren drei Kindern, sowie der Familie im In-und Ausland. Zudem musste ich mich um Anfragen des Gesundheitsamtes und der Arbeitgeber kümmern. Das war für mich körperlich und psychisch belastend, ich musste funktionieren. Am 27. April um fünf Uhr morgens teilte man uns schließlich mit, dass wir ins Krankenhaus kommen sollen, um uns von meinem Mann zu verabschieden. Er konnte nicht mehr gegen die Krankheit ankämpfen. An diesem Morgen hörte die Welt auf sich zu drehen, einen Tag vor dem Geburtstag unserer jüngsten Tochter war mein Mann verstorben.

Das wünsche ich niemandem

Immer noch denke ich an diesen Augenblick und hoffe, aus dem Alptraum aufzuwachen. Stattdessen ist es die bittere Realität. Können Sie sich vorstellen, wie es ist, in einer leeren Wohnung zu stehen und vom geliebten Menschen nur noch die Erinnerungen an seine Stimme, Mimik und Gestik im Kopf zu haben? Das wünsche ich niemandem…

Nach 40 Jahren harter Arbeit als Dachdecker wäre mein Mann übernächstes Jahr in Rente gegangen, und wir hatten gemeinsame Pläne für diesen neuen Lebensabschnitt. Dreißig wundervolle Ehejahre sind nur noch bittersüße Erinnerungen.

Und das alles nur, weil ich meine Arbeit gemacht habe und täglich ungeschützten Kontakt mit Kindern aus mehreren Haushalten hatte, die ständig verschnupft und krank ins Kinderhaus gebracht wurden. Privat hatte ich mich stets an die Corona-Richtlinien gehalten und Kontakte zu anderen Haushalten vermieden, um uns zu schützen. Und doch habe ich einen geliebten und wichtigen Menschen in meinem Leben verloren.

Meine Kolleginnen und ich waren schutzlos im Kinderhaus. Während andere im Homeoffice waren, blieben wir vor Ort. Die Maßnahmen, wie das Tragen von Masken und organisierte Impftermine, kamen Wochen zu spät. Erkrankungen des pädagogischen Personals wurden vom Arbeitgeber wohl billigend in Kauf genommen; es wurde immer wieder verkündet, dass Kinder nicht ansteckend seien und sie das Virus auch nicht in die Häuser tragen, sondern nur die Erwachsenen.

Wir fühlen uns im Stich gelassen, als wären wir Kanonenfutter! Sätze wie: "Denken Sie an die Eltern und Kinder…⁠" und "Wir haben eine gesellschaftliche Pflicht" fühlen sich an wie ein Schlag ins Gesicht. In unseren Einrichtungen herrscht schon seit langem Fachkräftemangel und trotzdem halten wie den Betrieb auch mit allen Corona-Auflagen am Laufen.

Ich erwarte Lösungen

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Jolanda Rumeo-CiaolaFoto: privat

In unserem Kinderhaus waren wir inzwischen dreimal von Corona-Ausbrüchen betroffen. Über Monate hatte unser Stadtteil die höchsten Inzidenzen. Seit Dezember 2020 haben sich 12 Mitarbeiter*innen mit Corona am Arbeitsplatz infiziert und sind erkrankt. Zahlreiche von ihnen, auch ich, leiden immer noch an Long-Covid-Folgen. Bislang gab es auch da keinerlei Unterstützungs-und Hilfsangebote von Ihnen.

Es ist wichtig, dass Kinder die Einrichtungen besuchen können, aber sie werden immer noch mit Erkältungssymptomen gebracht. Warum dürfen wir da kein ärztliches Attest verlangen? Warum gibt es keine Testpflicht für die Krippenkinder? Viele von uns gelten inzwischen als genesen oder geimpft. Das bedeutet aber nicht, dass wir uns nicht trotzdem infizieren und erneut erkranken können.

Ich bin sehr besorgt, wenn ich an den September denke, wenn unsere Kinder aus dem Urlaub zurückkehren, den sie womöglich in einem Risikogebiet verbracht haben. Hier erwarte ich von Ihnen Lösungen, wie wir vor Ort damit umgehen sollen. Ich möchte an dieser Stelle auch erwähnen, dass ich ohne die Unterstützung meiner Familie und Freunde, insbesondere meines Teams und meiner direkten Kollegin, dem Personalrat und Freunden aus der Gewerkschaft nicht den Mut und die Kraft gefunden hätte, zurück zur Arbeit und in den Alltag zu kommen.

Ich erwarte von Ihnen, unserem Arbeitgeber und den verantwortlichen Politikern, Lösungen zu unserem Schutz. Damit wir unserer verantwortungsvollen und schweren Arbeit nachgehen können und dabei gesund bleiben! Das Leid, das ich erfahren habe, soll sich nicht wiederholen. Der Tod meines Mannes soll nicht umsonst gewesen sein.

Jolanda Rumeo-Ciaola,

Mannheim, den 27.7.2021

Inzwischen hat Jolanda auf ihren Brief eine Antwort vom Oberbürgermeister der Stadt Mannheim, Peter Kurz, erhalten. Die beiden werden sich am 9. Dezember, kurz nach Redaktionsschluss dieser Ausgabe, zu einem persönlichen Gespräch treffen, bei dem Jolanda noch einmal "alle Karten auf den Tisch" legen will, um ihre Forderungen zum Schutz der Beschäftigten in den Sozial-und Erziehungsdiensten zu verdeutlichen. Im Nachhinein, sagt sie, hätte sie sich damals krankmelden müssen, um ihren Mann vor der Ansteckung zu schützen. Doch aufgrund des Personalmangels hat sie weitergearbeitet, auch weil es damals noch hieß, nur Erwachsene könnten das Virus übertragen. Das Kinderhaus, das sich in einem sozialen Brennpunkt befindet, hätte bereits nach dem Auftreten der ersten beiden Fälle für zwei Wochen konsequent geschlossen werden müssen, kritisiert sie. Zum damaligen Zeitpunkt waren Jolanda und ihr Mann bereits vom Hausarzt angeschrieben worden. Zwei Wochen nach der Infektion hätten sie ihren ersten Impftermin gehabt.

(Anmerkung der Redaktion)