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Elaha

Neun Wochen bleiben Elaha bis zu ihrer Hochzeit in einer Kleinstadt in der deutschen Provinz. Die junge Kurdin ist Anfang 20 und möchte mehr aus ihrem ­Leben machen, als in einer Reinigung zu jobben und zu heiraten. Elaha würde gern ihr Abitur machen und frei sein. Ein Schlüsselsatz fällt irgendwann in der Mitte des Films. Sie besucht heimlich ­ihren alleinlebenden Freund, zu dem sie sich seelisch und körperlich hingezogener fühlt als zu dem Mann aus der kurdischen Gemeinde, der um ihre Hand angehalten hat. Sie verführt den Freund, ist anschließend verwirrt und er deshalb auch. Als er um Klärung bittet und sie nicht gehen lassen möchte, sagt Elaha: „Weißt du, warum ich hierherkomme? Weil ich hier die Freiheit habe, selbst entscheiden können zu gehen.“ Genau darum geht es in dieser deutschen Emanzipationsgeschichte. ­Eine junge Frau mit migrantischen Wurzeln möchte sich nicht von diesen lossagen, aber über sich und ihren Körper selbst entscheiden. Elaha und ihren besten Freundinnen bei ihrer Selbstermächtigung zuzusehen, entlockt Tränen der Rührung ebenso wie Bewunderung. Und dies ist keinesfalls ein Frauenfilm, es ist einer für jedermann. Petra Welzel

D 2023. R: Milena Aboyan. D: Bayan ­Layla, Hadnet Tesfai, Slavko Popadić. 110 Min., Start 23.11.23

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Monsieur Blake zu Diensten

Als süffisanter, scharfzüngiger Halunke hat John Malkovich vielfach brilliert. Zur Abwechslung gibt er nun als Londoner Unternehmer den brillanten Komiker. Auf ­einem herrschaftlichen Anwesen in Frankreich, wo er einst mit seiner Frau glückliche Tage verlebte, will der Witwer eigentlich Urlaub machen. Aber die tonangebende, exzen­trische Haushälterin gewährt ihm nur Logis, wenn er als Butler das Personal verstärkt. Den Abenteurer kann das nicht schrecken, mit seiner unkonventionellen Art sorgt er in ihrem strengen Regiment für allerhand Überraschungen, macht sogar ihre Katze staunen, als er einmal die Pastete verzehrt, die ­eigentlich ihr zugedacht war. Aber ­eigentlich ist dieser Andrew Blake ein herzensguter Mensch, der an seinen Zeitgenossen Anteil nimmt, ihnen mit seiner Lebenserfahrung und seinem Geld zur Seite steht. Im Zuge der Betrachtungen von Fanny Ardant als verarmter Gutsherrin über Enttäuschungen ihres Lebens, kommt ein Hauch von ­Melancholie in die Erzählung, aber am Ende lösen sich umstandslos alle Probleme wie im Märchen auf. Der perfekte, kurzweilige Wohlfühlfilm zu Weihnachten. Kirsten Liese

F/L 2022. R: Gilles Legardinier. D: John Malkovich, Fanny Ardant, Émilie Dequenne. 110 Min., Start: 21.12.23

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Eine Frage der Würde: Blaga’s Lesson

Knapp 270 Euro Rente bleiben der 70-jährigen Blaga im bulgarischen Schumen noch zum Leben, als ihr Mann verstirbt. Für den Grabstein des Doppelgrabs – neben ihren Namen soll ein christliches Kreuz, neben den des Gatten der rote Sowjetstern – ruft der Steinmetz einen Wucherpreis auf. Zwar gibt Blaga einer jungen Armenierin Bulgarisch-Unterricht für den Einbürgerungstest, aber auch das wird nicht reichen. Sie muss Geld beschaffen, koste es, was es wolle. Mit den Nerven runter, wird die Witwe auch noch Opfer eines Telefonbetrugs. So sehr setzt der Anrufer die Frau unter Druck, dass sie das Undenkbare tut: Sie wirft wie geheißen ­ihre Ersparnisse in einer Plastiktüte vom Balkon. Eli Skorcheva spielt diese beklemmende Szene bis ins kleinste Detail so nuanciert und intensiv, wie überhaupt ihre starke Präsenz dieses packende Sozialdrama aus dem ärmsten Land der EU voranträgt. Wie viel Würde ist überhaupt möglich, wenn jeder jeden abzocken muss, um wirtschaftlich zu überleben? Der Lehrerin wird eine Lektion in einer Marktwirtschaft erteilt, so unsozial, dass in ihr kein Platz für ein Lächeln bleibt. Jenny Mansch

BGR/D 2023. R: Stephan Komandarev. D: Eli Skorcheva, Ivan Barnev, Gerasim Georgiev. 119 Min., Start: 25.01.2024