Mirjam Jahr ist Gruppenbegleiterin im Zeitgeschichtlichen Forum Leipzig. Die 33-jährige Kunsthistorikerin führt Besucher durch die Dauerausstellung über Diktatur und Widerstand in der DDR. Sie ist Freiberuflerin und arbeitet auch als Übersetzerin.

Ich schalte mein Mikrofon ein und sehe nach, ob alle aus der Gruppe die Hörer am Ohr haben. Dann kann es losgehen mit dem Rundgang. Manchmal demonstrieren einige Teilnehmer - vor allem Schüler - anfangs ihre Langeweile. Dann frage ich sie zum Beispiel vor der Vitrine mit Ostprodukten, ob sie etwas kennen oder ihre Eltern davon erzählt haben. Meistens kann ich so ihr Interesse wecken. Vielleicht gelingt mir das, weil ich selbst Geschichte spannend finde - erst recht, wenn Menschen von eigenen Erinnerungen erzählen. Im Zusammenhang mit unserer aktuellen Ausstellung Flucht, Vertreibung, Integration hatte ich Gespräche mit Zeitzeugen. Von den Begegnungen bin ich beeindruckt. Davon profitiert auch meine Arbeit.

Spaß macht mir der Job, obwohl ich schon seit fünf Jahren Gruppen führe. Das liegt vor allem daran, dass ich mich jedes Mal neu auf die Menschen einstellen muss: ihr Alter, ihre Herkunft, Interessen und Erwartungen an den Besuch. Ich begleite auch Gruppen in polnischer oder russischer Sprache. Dabei spüre ich immer wieder, wie verschieden die Blickwinkel anderer Nationalitäten auf die deutsch-deutsche Geschichte sind. Ich kann das verstehen, denn ich habe einen Teil meiner Kindheit in Polen verlebt. Dort war vieles anders als in der DDR, auch wenn beide Länder zum Ostblock gehörten.

Im Dialog

Anstrengend ist die Arbeit, weil ich während der eineinhalbstündigen Begleitungen fast ununterbrochen reden muss. Zum Glück haben wir ein elektronisches Gruppenführungssystem: Jeder Besucher bekommt Verstärkerkästchen und Kopfhörer. So muss ich nur in Zimmerlautstärke sprechen. Das schont die Stimme. Trotzdem sind mehr als drei Gruppen pro Tag nicht drin.

Wir sind rund 25 Gruppenbegleiter und jeder gestaltet die Begleitung auf seine Art. Mir macht es Spaß, in Dialog mit Besuchern zu treten. Besonders ältere erinnern sich oft an Anekdoten aus ihrem Leben und erzählen sie - eine Bereicherung für die Gruppe und für mich. Protokoll: Gundula Lasch

Foto: Kalle Meyer