Schweigen bei den Simpsons

Die Drehbuchautoren in Hollywood streiken für faire Tarifbedingungen

Steve Tomlin und Kathy McWorter, Autoren im Streik

Anfang November haben die 12000 in der Writers Guild of America gewerkschaftlich organisierten Drehbuchautoren in den USA ernst gemacht: Nach monatelangen Verhandlungen mit der AMTPT, dem Verband der Film- und Fernsehproduzenten, über neue Tarife riefen sie den Streik aus. "Niemand tut das leichten Herzens", so WGA-Chef Patric Verrone. "Aber die Studios wollen mit Autoren nicht fair umgehen."

Ein gewaltiges Geschäft steht auf dem Spiel. Der letzte Streik der Drehbuchschreiber liegt 19 Jahre zurück. Er dauerte 22 Wochen und kostete die Industrie 500 Millionen US-Dollar. Die Gründe waren ähnlich wie heute: Die Film- und Fernseh-Industrie verändert sich durch die weiter aufgefächerte Vermarktung der Serien und Kinofilme, doch die Autoren erhalten zu wenig für die zusätzliche Nutzung ihrer Produkte. Damals forderten sie einen höheren Anteil am Verkauf von Videos und von Senderechten ins Ausland, heute geht es um DVDs und die Verbreitung der Serien im Internet.

Die Serien und das Geld

Vor den Studios postierten sich Streikposten. Seit Beginn des Ausstands ruhte die Arbeit an allen Drehbüchern für Hollywood-Filme, TV-Serien und die täglichen Talkshows der großen TV-Networks. Die spätabendlichen Auftritte der Harald-Schmidt-Vorbilder David Letterman oder Jay Leno waren als erste betroffen, denn ihre von vielen Köpfen ersonnenen Gags werden tagesaktuell produziert. Bei TV-Serien wie "Grey's Anatomy" oder den Simpsons werden Anfang 2008 die vorproduzierten Folgen knapp. Viele dieser Serien laufen auch bei uns, nur um Monate zeitversetzt. Große Filmprojekte können erst mit Verspätung die Produktionskosten wieder einspielen. Sorgen müssen sich vor allem die Bosse der großen TV-Gesellschaften (ABC, CBS, NBC und Fox), denn neue, publikumswirksame Serien sind die treibende Kraft für ihren Marktanteil und bestimmen den Preis für Werbeminuten. In Not geraten auch die Zulieferer der Produktionsmaschine Hollywood, ob Boten, Kopierläden oder Caterer. 1,3 Millionen Arbeitsplätze hängen in Kalifornien von Hollywood ab.

1988 mussten die TV-Networks neue Formate entwickeln, um ihre Abendprogramme zu füllen. Der Streik jenes Jahres gilt heute als die Geburtsstunde des Reality-TV, also all der Shows mit hoffnungsvollen Superstars, Top-Models, Rate-Millionären und Überlebenskünstlern auf Südsee-Inseln, für die keine Drehbuch-Autoren gebraucht werden. Die Folge: Bis vor dem Streik von 1988 wurden 95 Prozent der Arbeit in der Film- und TV-Industrie unter gewerkschaftlichen Tarifbedingungen geleistet, heute nur noch 55.

Die Fernseh- und Filmstudio-Bosse haben sich in den Verhandlungen auf den Standpunkt gestellt, sie hätten nichts zu verteilen. Die TV-Gesellschaften machten Verluste, verlören Marktanteile und damit Werbeeinnahmen. Mit dem Finger zeigen sie auf einige Drehbuchschreiber von Top-Serien, die jährlich Gagen von einer Million Dollar und mehr kassierten. Aber viele WGA-Mitglieder kommen gerade so über die Runden und sind oft monatelang ohne Arbeit. Deswegen, hoffen die Arbeitgeber, werde der Gewerkschaft bald die Puste ausgehen. Schon bieten sie den Autoren rechtliche Beratung an, wie sie ihre Gewerkschaftsmitgliedschaft kündigen können.

Doch auch die Gewerkschaft hat Unterstützung: Die Teamsters, die mächtige Transportgewerkschaft in den USA, wird die Streikposten der WGA respektieren. Ohne die Fahrer ist Hollywood gelähmt. Und im Juni 2008 laufen auch die Tarifverträge der Schauspielergewerkschaft und der Regisseure aus.