Wenn man trotzdem lacht

Persepolis | Es war nur eine Frage der Zeit, bis die wunderbaren Bilder von Marjane Satrapi laufen lernen würden. Die iranische Zeichnerin hat mit ihrer autobiografischen Bildergeschichte, einem Comic, geschafft, was keiner anderen literarischen Gattung bisher mit solchem Erfolg gelungen ist: Ihre schwarzweißen Zeichnungen bringen Licht in die vom Kopftuch verdunkelte Wahrnehmung ihres Landes; sie zelebrieren den Individualismus, der zwar nicht sein darf, aber dennoch existiert. In den nun verfilmten Comics hat die frühere Kunststudentin ihre Kindheit und Jugend zwischen Iran und Europa aufgezeichnet. Mit acht erlebt die kleine Marjane die islamische Revolution der Mullahs und erzählt dies aus köstlich unbestechlicher Kinderperspektive, die zwar nicht alles versteht, aber vieles registriert. Ihre Familie gehört den linken, intellektuellen Kreisen an, Leute wie sie müssen nach der Machtergreifung des Ayatollahs vorsichtig sein. Doch Marjane ist ein kleiner Punk. Sie interessiert sich wie alle Mädchen überall für Popkultur, schicke Turnschuhe und Iron Maiden. Mit List und Humor laviert sich die ganze Familie durch die repressiven Bestimmungen. Marjane testet die Dehnbarkeit des Kopftuchgebots und ertrotzt sich jede Haarsträhne. Die resolute Oma als zentrale Gestalt der Familie tanzt mit deftigen Prinzipien aus der Reihe. Das eigentliche Drama erleben die Eltern. Unglücklich schicken sie das Kind zur Sicherheit nach Österreich. Mitten in der Pubertät und allein auf sich gestellt, erlebt es hier, zwischen Vorurteilen und Sachertorten, was alle Mädchen überall zunächst erleben: die erste Liebe, den ersten Liebeskummer, Heimweh. Sie verheddert sich im Kulturclash, nimmt Drogen und ohne den Halt der Familie landet sie irgendwann ganz unten. Nach ihrer Rückkehr in den Iran bleibt diese Zerrissenheit, später kehrt sie ihrem Land für immer den Rücken. In erster Linie sei dies eine Geschichte über die Liebe zu ihrer Familie, sagt Marjane Satrapi heute. Dennoch schieben sich - auf der Leinwand ein märchenhafter Effekt - die Zeichenkulissen ab und zu beiseite, wenn von früher erzählt wird, von Politik, dem Schah und der Folter. So erschütternd diese Szenen sind, die Geschichte durchzieht ein fröhlicher Sinn für Humor, den die 37-Jährige zu Recht subversiv nennt. Ihre Zeichnungen, die mit winzigen Strichen große Themen treffen, hat Regisseur Vincent Paronnaud kongenial inszeniert. Sie leben von der Weglassung, dem Angedeuteten, nicht Ausgemalten und sind oftmals ganz einfach entzückend, was die iranische Filmbehörde natürlich anders sieht. Ach ja, und apropos Familie: Von ihrem unschätzbaren Wert kann man eben auch modern, weltoffen und amüsant erzählen.

Jenny Mansch

F 2007; R: MARJANE SAPRATI, VINCENT PARONNAUD, SYNCHRON: J. TABATABAI, N. TILLER, H. ZISCHLER; L. 96 MIN., AB 22.11.2007

PERSEPOLIS, 2 Bände, UEBERREUTER VERLAG, JEWEILS 9,95 €


Across the universe | Warum man 33 Beatles-Songs zu einer Liebesgeschichte zusammenfügt, deren 68er-Setting samt Studentenunruhen und Vietnamkrieg ausgerechnet an das Musical Hair erinnert, das dürfte für manche ein Rätsel bleiben. Doch die Cover-Versionen sind oft originell, Joe Cockers Come Together beispielsweise sogar elektrisierend. Und, wie in eigentlich fast jedem Musical, geht es auch hier mehr um Stil als um Story: Nach ihrer immens erfolgreichen Bühnenfassung von Disneys Der König der Löwen zieht die Regisseurin Julie Taymor alle visuellen Register. Es gibt ein Cheerleader- und Rugbyballett, I Want to Hold Your Hand wird zur schmerzlichen Lesbenballade umfunktioniert, und Bono wirft sich in den psychedelischen Farbenrausch von I Am the Walrus. Aus I Want You macht Regisseurin Taymor den Soundrack zur Einberufung beim Militär, großartig choreographiert und in Szene gesetzt. Auf ganzer Linie kann sie mit ihrem "Beatles-Musical" zwar nicht gewinnen - doch gewagt hat Julie Taymor hier einiges.

ROBL

USA 2007; R: JULIE TAYMOR; D: EVAN RACHEL WOOD, JIM STURGESS; L: 131 MIN.; START AM 22. NOVEMBER


Vier Monate, drei Wochen, zwei Tage | "Mein Bauch gehört mir": Lang ist's her, dass Frauen für das Recht auf legale Abtreibung kämpften, heute wird die Mutterschaft wieder groß beworben und diskutiert. Cristian Mungius eindringlicher Film warnt vor dem Extrem einer in diese Richtung zielenden Politik. Der im kommunistischen Rumänien vorherrschende Geburtenwahn ging mit einem strikten Abtreibungsverbot einher. Gabita will trotz alledem ihre Schwangerschaft abbrechen. Die Gründe dafür spielen keine Rolle, entscheidend sind die katastrophalen und zerstörerischen Umstände, die die junge Frau dafür in Kauf nehmen muss. In einem heruntergekommenen Hotel kommt es zum Treffen mit dem Engelmacher, der ohne Narkose arbeitet, keine Verantwortung übernimmt und sich als ein Widerling entpuppt, der noch Sex will, bevor er die Sonde einführt. Hilfe und Unterstützung findet Gabita nur bei ihrer pragmatischen, mutigen Freundin, die alles organisiert und sich um sie kümmert. Wird alles gut gehen? Der Zuschauer bangt mit der Freundin, die auf einer Geburtstagsfeier snobistischen Small Talk über sich ergehen lassen muss, während Gabita auf ihren Abgang wartet. Das alles ist schwer auszuhalten, ungemein beklemmend und stark inszeniert. Soll da noch einer sagen, alles Frauengedöns. Diesen Film hat ein Mann gemacht!

KL

RUMÄNIEN 2007. R: CRISTIAN MUNGIU. D: ANAMARIA MARINCA, LAURA VASILIU, VLAD IVANOV. 113. MIN. START. 22.11.