Ausgabe 01/2008-02
Abwarten ist gefährlich
GUSTAV HORN ist Wissenschaftlicher Direktor des IMK der Hans-Böckler-Stiftung
Der schnelle Wechsel von Abstürzen und Erholungen an den Börsen enthüllt die tief greifende Unsicherheit. Ausgehend von der Immobilienkrise in den USA, die über den globalen Verkauf verbriefter Schuldtitel die Finanzmärkte überall ansteckte, haben sich die Erwartungen eingetrübt. Das liegt zum einen an der absehbaren Rezession in den USA mit ihrer weltweiten Ausstrahlung. Zum anderen kommen in Europa der starke Euro und die vergleichsweise hohen Preissteigerungen hinzu, die nicht zuletzt die Kaufkraft der privaten Haushalte belasten.
Was macht die Wirtschaftspolitik vor dem Hintergrund dieser beunruhigenden Aussichten? In den USA hat sie entschlossen und mit beeindruckender Klarheit reagiert. Die Geldpolitik, die auch in erster Linie gefordert ist und die bereits seit einiger Zeit ihren Kurs gelockert hatte, um Investoren und Verbrauchern durch niedrigere Zinsen Anreize für Investitionen und Konsum zu geben, hat die Zinsen noch einmal drastisch gesenkt. Und Präsident und Kongress haben ein Konjunkturprogramm in Höhe von einem Prozent des Bruttoinlandsprodukts beschlossen, um die Situation der privaten Haushalte zu verbessern. Erste Erfolge sind bereits sichtbar. Die Rückschläge an der US-Börse waren geringer als in Europa und Asien und sie stabilisierten sich sogar im Windschatten der US-Kurse.
Und in Europa? Von wirtschaftspolitischen Reaktionen kaum eine Spur. Man tröstet sich damit, dass die Fundamentaldaten gut sind und hofft, unbeschadet davon zu kommen. Welch ein Irrtum! In einer globalisierten Wirtschaft gibt es keine lokalen Krisen mehr. Gefordert wäre eine klare Zinssenkung und die Vorbereitung von Konjunkturprogrammen, die bei einem sichtbaren Nachlassen der wirtschaftlichen Dynamik sofort umgesetzt werden könnten. Abwarten ist gefährlich; es kostet uns den Aufschwung, den wir nach langen Jahren hoher Arbeits- losigkeit so dringend brauchen.