Attac-Aktivisten am 15. Oktober 2008 vor dem Berliner Reichstag

von maria kniesburges

Als der Chef der Deutschen Bank, Josef Ackermann, im März dieses Jahres weithin hörbar nach dem Staat rief, spätestens da war klar: Es würde ganz dick kommen. Er glaube nicht mehr an die Selbstheilungskräfte des Marktes, gab der Gralshüter des grenzenlosen Finanzkapitals seinerzeit zu Protokoll. Ein wahres Wort aus Banker-Munde: Die Immobilienkrise in den USA war längst eine internationale Finanzmarktkrise, und längst war abzusehen, dass da noch gigantische Spekulationsblasen platzen würden.

Wenn gar nichts mehr geht und man sich dermaßen verzockt hat, dann muss er her, der ungeliebte Staat - und zahlen. Seine Hilfspakete für das Not leidende Finanzkapital umfassen bereits beträchtliche Billionensummen. Nachdem die Freiheit des Finanzmarktes ins Fiasko geführt hat, greifen die Makler des Casinokapitalismus auf die Staatskassen zurück.

Auch die Bundesregierung hat in aller Eile ein Carepaket im Umfang von zunächst 500 Milliarden Euro geschnürt - und sonnte sich in der eigenen Handlungsfähigkeit. Schließlich gelte es, noch Schlimmeres abzuwenden.

Ins Gelingen verliebt

"Wir sind jetzt ins Gelingen verliebt", sagte Bundesfinanzminister Peer Steinbrück (SPD). Von strikten Bedingungen, an die diese großmütige Bereitstellung von Steuergeldern geknüpft wäre, oder gar von konkret festgezurrten Rückzahlungsklauseln war bei Redaktionsschluss nichts bekannt. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) beschränkte sich auf Appelle an die Jongleure des Finanzkapitals: "Ich erwarte von der Branche, dass sie sich Regeln nicht widersetzt, wie sie es in der Vergangenheit getan hat." Allerdings müssen taugliche Regeln erst wieder geschaffen werden.

Deregulierung, sprich die Abschaffung von Kontrollmechanismen, heißt der Glaubensgrundsatz, nach dem erst die rot-grüne und dann die schwarz-rote Bundesregierung die Instrumente zur Regulierung und Kontrolle der Finanzmärkte aufgeweicht oder ganz abgeschafft haben. 2002 erleichterte Rot-Grün den Börsenhandel und die Spekulation im Immobiliengeschäft. 2004 öffnete die Bundesregierung den Hedge-Fonds die Grenzen, deren Geschäft in der puren Risiko-Spekulation besteht. Und noch in diesem Jahr befreite die Große Koalition die nicht minder spekulativen Private-Equity-Fonds von lästigen Steuerpflichten.

In ihrem Streben nach Deregulierung und Privatisierung trugen die politischen Handlungsträger zugleich zu einer nahezu explosionsartigen Aufblähung der Finanzmärkte bei. Mit der Einführung der privaten Riester-Rente im Jahr 2001 ergossen sich Geldströme auf die Finanzmärkte, die der staatlichen Rentenkasse entzogen wurden und die Spekulation und den Wettbewerb um noch höhere Renditen ein weiteres Mal in Schwung brachten. Und das im Verein mit der radikalen Deregulierung des Arbeitsmarktes wie etwa der Entfristung der Leiharbeit unter Rot-Grün und anderer Vorgaben der Agenda 2010, die allesamt zu einer massiven Ausweitung des Niedriglohnsektors und zur Senkung des Lohnniveaus insgesamt geführt haben. Umverteilung von unten nach oben.

In die Zukunft investieren

Der Zusammenbruch der Finanzmärkte drückt längst schwer auf die so genannte Realwirtschaft, will heißen auf die Wirtschaftssektoren, in denen es noch um reale Werte und Produkte geht. Eine Rezession kann nicht mehr ausgeschlossen werden, die Handlungsfähigkeit der Deregulierer ist gefragt: Sie müssen regulieren. Seit Jahren fordert ver.di ein Zukunftsinvestitionsprogramm im Umfang von jährlich 40 Milliarden Euro, die zur einen Hälfte in den Bildungsbereich, zur anderen Hälfte in weitere Bereiche der öffentlichen Daseinsvorsorge investiert werden sollen. Das, so ver.di, würde die Binnennachfrage stärken und zur Schaffung gesicherter Beschäftigungsverhältnisse beitragen.

Angesichts der akuten Rezessionsgefahr fordert die Gewerkschaft kurzfristig ein Konjunkturprogramm von mindestens 10 Milliarden Euro in den nächsten sechs Monaten. Zur Finanzierung der Investitionen will ver.di die Wiedereinführung der Vermögenssteuer. Und in Anbetracht der immensen staatlichen Hilfspakete zur Abfederung der Banken- und Finanzmarktkrise hält die Gewerkschaft auch die Einführung einer Millionärssteuer für angebracht. Ganz sicher zahlen müssen erstmal andere: die Studenten aus weniger begüterten Elternhäusern. Die staatliche KfW-Bank hat die Zinsen für ein Studiendarlehen von 6,4 auf 7 Prozent erhöht.

Interview Uwe Foullong

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