Sie haben uns in die Krise geritten, haben Milliarden verspielt - und heute reden sie schon wieder mit. Aber keiner hat sie gewählt

Jörg Asmussen Mitglied der Expertengruppe der Bundesregierung "Neue Finanz- marktarchitektur", der SPD-Mann war unter Rot-Grün einer der Architekten der neoliberalen Freizügigkeit auf den Finanzmärkten

Wer mehrfach mit Erfolg Tresore geknackt hat, der darf gewiss als Experte für Sicherheitstechnik im Tresorwesen gelten. Fraglich nur, ob man ihn deswegen als Berater im Sicherheitswesen hinzuziehen mag. In der legalen Finanzwelt dagegen gedeihen die Beraterkarrieren auch nach dem Crash.

Seit Monaten ist offenkundig, dass die hochriskanten Spekulationsgeschäfte der Finanzmarktakteure in die globale Wirtschaftskrise geführt haben. Noch immer aber ist ein striktes Eingreifen und Umsteuern der Politik nicht einmal absehbar. Strenge Kontrollen der Finanzgeschäfte? Durchschlagende Mitsprache- und Zugriffsrechte des Staats? Weithin Fehlanzeige. Doch es wurden Expertengruppen berufen. "Neue Finanzmarktarchitektur" lautet der viel versprechende Name einer von der Regierung berufenen Gruppe so genannter Fachleute.

Michael Rogowski Mitglied des "Lenkungsrats Unternehmens- finanzierung", von 2001 bis 2004 Präsident des Bundesverbandes der Deutschen Industrie, schrieb das Buch: "Für ein neues Wirtschaftswunder - 20 Thesen"

Geleitet wird sie von Otmar Issing, bis 2006 Mitglied des Direktoriums der Europäischen Zentralbank und heute Berater der längst in schwere Schieflage geratenen Investmentbank Goldman Sachs. Mit im Beraterkreis auch Finanzstaatssekretär Jörg Asmussen, SPD, der als Abteilungsleiter im Bundesfinanzministerium unter Rot-Grün die Vorlagen dafür erstellt hat, wie die Kontrollen für die globalen Finanzmakler begrenzt und ihr Aktionsradius erweitert werden konnten. Und auch die deutsche Industrie ist unter den Experten und Beratern der Bundesregierung prominent vertreten.

Jacques de Larosiére steht der Expertengruppe der EU-Kommission zur Lösung der Finanzmarktkrise vor, von 1978 bis 1986 geschäftsführender Direktor des Internationalen Währungsfonds, von 1993 bis 1998 Chef der Osteuropabank, später Berater der Investmentbank BNP Parisbas

Mit 100 Milliarden Euro an Steuergeldern ist der "Deutschlandfonds" ausgestattet, mit dem staatliche Kredite und Bürgschaften für hilfsbedürftige Unternehmen bereitgehalten werden. Dem Fonds ist ein "Lenkungsrat Unternehmensfinanzierung" beigestellt, dem Kreditbegehren von über 150 Millionen Euro und Bürgschaftsanträge von mehr als 300 Millionen Euro vorzulegen sind. Und darin wirkt neben anderen der ehemalige Präsident des Bundesverbandes der Deutschen Industrie, BDI, Michael Rogowski. Als Mitglied des Aufsichtsrats der Mittelstandsbank IKB, die im vergangenen Sommer kollabierte, hat er deren Absturz jedenfalls nicht verhindert.

Selbsthilfegruppen für die Finanzwelt

Und auch auf europäischer Ebene scheint man immer noch eher auf die Selbstheilungskräfte zu setzen als auf Kontrolle und unbelasteten Sachverstand. An der Spitze der Expertengruppe zur Lösung der Finanzmarktkrise, die von der EU-Kommission eingesetzt wurde, steht mit dem ehemaligen Direktor des Internationalen Währungsfonds, Jacques de Larosière, ebenfalls ein tätiger Berater der Investmentbranche. Der Öffentlichkeit vorgestellt werden die Beraterkreise als Gremien, die der ungezügelten Finanzspekulation Einhalt gebieten und neue Regeln einziehen sollen. Bei näherem Hinsehen entpuppen sie sich jedoch als Selbsthilfegruppen, eine staatlich geförderte "Hilfe zur Selbsthilfe" für Finanzwelt und Industrie. Die Krise spitzt sich derweil weltweit dramatisch zu. Und noch immer reden diejenigen ganz vorne mit, die das Chaos angerichtet haben - und die niemand gewählt hat.

Otmar Issing Mitglied der Expertengruppe der Bundesregierung "Neue Finanzmarktarchitektur" und der Expertengruppe der EU-Kommission zur Lösung der Finanzkrise, Berater der New Yorker Investmentbank Goldman Sachs