Blick auf den 2 248 Meter hohen Monte Pollino

Von Günter Ermlich

Selbst Italien-Liebhaber sind überfragt: Basilikata? Nie gehört! Die Region Basilikata, ganz unten am Stiefel zwischen Apulien, Kampanien und Kalabrien gelegen, ist touristisch noch nicht entdeckt.Dort spielt der Roman von Carlo Levi Christus kam nur bis Eboli, der auch erfolgreich verfilmt wurde. Levi erzählt seine Verbannung durch Mussolinis Faschisten in ein lukanisches Bergdorf - die Basilikata hieß in der Antike und im Faschismus wieder Lukanien - und schildert das archaische Leben der Bauern im tiefsten Süden.

Doch diese gottverlassene Gegend ist eine Reise wert. Zum Beispiel der Pollino-Nationalpark. Noch liegt sein touristisches Potenzial weitgehend brach. Jetzt aber soll das Projekt "Arte Pollino - ein anderer Süden" den Nationalpark und die Basilikata insgesamt bekannter machen, einen Beitrag zur Regionalentwicklung leisten und den Tourismus ankurbeln. International bekannte Vertreter zeitgenössischer Kunst, darunter Anish Kapoor, Giuseppe Penone und Carsten Höller, schaffen zurzeit im Nationalpark dauerhafte Naturkunstwerke. Kapoor gräbt ein "Earth Cinema" (Erdkino), Penone baut ein "Pflanzentheater", Höller stellt sein "Karussell" auf einen Hügel. Nächstes Jahr werden rund um die Landschaftsobjekte Wanderwege angelegt und touristische Programme entwickelt.

"Die Gegend mit der Gabel entdecken" ist das Motto des Kochs Federico Valicenti

Der Pollino-Nationalpark wurde 1993 gegründet und ist mit fast 2 000 Quadratkilometern das größte Schutzgebiet in Italien. Bisher besuchen nur rund 10 000 Touristen im Jahr den Park, die meisten kommen aus dem benachbarten Apulien, einige übernachten preisgünstig im Agriturismo (Ferien auf dem Bauernhof). Bergdörfer und dichte Buchenwälder, ausgetrocknete Flussbetten und durch Erosion entstandene Canyons sowie das Pollino-Massiv mit fünf Zweitausendern prägen die Landschaft. Hochebenen erinnern an schottische Highlands, Weideflächen an Almen in den Alpen.

Eldorado für Wanderer

Weil noch verlässliche Wanderkarten und Beschilderungen fehlen, sollten Urlauber einen kundigen Führer wie Giuseppe Cosenza anheuern. Im Sommer bietet der Nationalparkführer Bergtouren, im Winter Schneeschuhtouren an. Der Wanderer stiefelt mit ihm durch herrlichen Buchenwald, folgt einem alten Maultierpfad durch eine steile Schlucht, entdeckt am Wegesrand wilde Orchideen und Exemplare prächtiger Panzerkiefern, die sich an felsige Abhänge klammern. 30 Apenninwölfe streifen durch den Park, zur reichen Fauna zählen auch Wildkatze und Dachs, Geier und Königsadler. Wegen der Vielzahl an Heilkräutern vermutet man, dass der Name Pollino von Apoll, dem Gott der Gesundheit, abstammt.

Die Häuser des Dorfes Viggianello klammern sich terrassenförmig an den Felshang

Neben der Natur ist die Gastronomie ein Trumpf der Basilikata. Ein Aushängeschild ist das "Luna Rossa" in Terranova di Pollino. Vor der Terrasse breitet sich das Bergpanorama mit dem Monte Pollino aus. Scoprire il territorio con la forchetta - die Gegend mit der Gabel entdecken, lautet das Motto von Federico Valicenti. Konsequent setzt der Koch auf regionale Rezepte und einheimische Produkte wie rote Paprikaschoten und Pecorino-Käse.

San Paolo Albanese gehört neben Terranova zu den Bergdörfern mit albanischen Wurzeln. Als im 15. Jahrhundert die Türken Westgriechenland und Albanien eroberten, flohen viele Christen in die Basilikata. 400 Dorfbewohner, die meisten über 65, pflegen die albanische Kultur und Sprache. Doch wie lange noch? Nicht nur abgelegene Bergdörfer, sondern viele Landstriche der wirtschaftlich rückständigen Basilikata leiden unter der Abwanderung der Jugend. Zumindest im neuen volkskundlichen Museum bleibt die Tradition anschaulich. Es zeigt zum Beispiel die Herstellung von Kleiderstoffen aus Ginsterfasern. Diese aufwändige handwerkliche Arbeitsweise wurde bereits vor 30 Jahren eingestellt.

Tourismusorganisation der Basilikata: www.aptbasilicata.it (Infos auch auf deutsch)

Carlo Levi: Christus kam nur bis Eboli, SZ-Bibliothek, 5,90 €