Wüstenblume | Von der somalischen Wüste auf die Laufstege der teuersten Designer der Welt: Waris Diries Aufstieg zum Top-Model war traumhaft. Doch bedeutender noch als der Tag ihrer unverhofften Entdeckung in einem Fastfood-Restaurant war jener, an dem die Schwarzafrikanerin öffentlich über ihre genitale Verstümmelung sprach. Hormanns Film berauscht sich zwar unnötig an der glamourösen Modewelt, der sie mehr Raum gibt als dem Leben in Afrika, so dass man die Mütter, die ihre eigenen Töchter quälen, kaum kennenlernt.

Eine vehemente Anklage des grausamen Rituals ist Wüstenblume nach der gleichnamigen Autobiografie dennoch mit aufrüttelnden, unvergesslichen Bildern, die weh tun: Die fürchterlichste Szene zeigt beängstigend authentisch die Beschneidung selbst. Kaum auszuhalten, aber hoffentlich recht heilsam: Schließlich werden noch heute täglich 6 000 Mädchen Opfer dieses Irrsinns. KL

D/A/F 2009. R: Sherry Hormann. D: Liya Kebede, Sally Hawkins, Timothy Spall, u.a. 120 Min. , Kinostart: 24.9.


The Age Of Stupid | Die Herstellung dieser Umweltdoku hat mit 94 Tonnen vergleichsweise wenig CO2 verbraucht, die globale Premiere wird von einem New Yorker Solarkino in alle Welt übertragen. Pete Postlethwaite sitzt als letzter Mensch einer unbewohnbaren Erde 2055 in einem Turm in der Arktis. Dort verfasst er mit Hilfe alten Medienmaterials aus dem Jahr 2008 eine Videobotschaft für Außerirdische, um zu dokumentieren, wie Profitgier und Dummheit der Menschen trotz klarer Faktenlage über den Klimawandel die Welt zugrunde gerichtet haben. Bemerkenswert ist vor allem die grüne Verve, mit der dieser Film sich positioniert. So wird das Premieren-Event zeitversetzt in über 40 Länder übertragen: Es wird Live-Schaltungen zu Greenpeace-Aktivisten in der Arktis geben, Kofi Annan hält die Ansprache, Hauptdarsteller und andere Promis laufen auf grünem Teppich, und statt Limousinen wird sich ausschließlich per Boot, Fahrrad-Rikschas und Solarautos bewegt. Den Abschluss krönt ein Auftritt von Radiohead-Sänger Thom Yorke. Die Übertragung findet zeitversetzt am 22.9.09 um 19 Uhr statt. Alle teilnehmenden Kinos unter www.ageofstupid.net. JM

GB 2009, R./D.: Franny Armstrong, D: Pete Postlethwaite, u.a., 92 Min., Kinostart: 22.9.09


Unter Bauern | Von "guten Deutschen" in der NS-Zeit wollte das Kino lange nichts wissen. Inzwischen ist die Zeit dafür reif und das ist gut so, denn Zeitzeugen wie die 95-jährige Jüdin Marga Spiegel, am Ende des Films auch selbst im Bild, werden nicht mehr lange leben. Ludi Boeken erzählt sehr anrührend, wie westfälische Bauern Spiegel und ihre Familie unter falschem Namen versteckt haben.

"Der Bischoff ist uns näher als der Führer", lautete die Devise dieser selbstlosen, unerschrockenen Menschen, die mit ihrer Risikobereitschaft Kopf und Kragen riskierten. Wenn die Verfolgten und ihre Retter gemeinsam brenzligste Situationen meistern, leidet man richtig mit. Wie die junge Bauerntochter Anni sich binnen Kürze vom überzeugten BdM-Mädel zur Nazihasserin wandelt, mag man zwar kaum glauben, aber umso beruhigender, dass es solche Menschen auch gegeben hat. KL

D 2009. R: Ludi Boeken, D: V. Ferres, A. Rhode, M. Horn, L. Hoensbroech. 90 Min., Kinostart: 8.10.09