Wer sich geschickt vernetzt, schwimmt oben

VON Klaus P. Graf

Bei ihrer Gründung hat die Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft vor allem von der IG Medien viele Mitglieder geerbt, die als freie Journalisten oder in anderen kreativen Berufen selbstständig sind. Rund 30000 ver.dianer werden heute als Selbstständige geführt, über 1000 sind es in Rheinland-Pfalz. Längst aber ist diese Art der Beschäftigung nicht auf den Fachbereich Medien, Kunst und Industrie konzentriert. Auch in anderen Branchen des Organisationsbereiches von ver.di wird immer mehr Arbeit aus Betrieben und Verwaltungen ausgelagert. Neben den klassischen freien Berufen wie Journalist/in, Künstler/in, Arzt/Ärztin gibt es zunehmend Selbstständige in der Alten- und Krankenpflege, als Kurierfahrer, als Dozenten für Fortbildungen oder als Makler im Immobilien-, Finanz- oder Versicherungsbereich. Für manche war die Unabhängigkeit ihre eigene Wahl, aber oft ist Existenzgründung die einzig verbleibende Alternative zu Arbeitslosigkeit und Hartz IV.

Illusion von Freiheit

Christiane Böhm hat sich vor gut zehn Jahren für die Selbstständigkeit entschieden, denn mit ihrem Job im Öffentlichen Dienst war sie nicht mehr zufrieden: "Wir stießen immer wieder an Grenzen", beschreibt sie die damalige Situation. Nach einer Ausbildung zur Arzthelferin hatte sie Sozialpädagogik studiert, dann in einer sozialen Einrichtung gearbeitet und war dort im Betriebsrat.

Heute kümmert sich die 52-Jährige als so genannte Gesetzliche Betreuerin um 35 Menschen mit psychischen, geistigen oder körperlichen Behinderungen. Zudem leitet sie Seminare, so zu interkultureller Konfliktbearbeitung, ent-wickelt und betreut Projekte, erstellt Materialien für Aus- und Fortbildungen. "Die Vielfältigkeit liegt mir", sagt sie, "aber Selbstständigkeit ist oft nur eine Illusion von Freiheit. Meist sollen wir nur Kosten senken." Die Solidarität aller Beschäftigten ist ein Beweggrund für Böhms Mitgliedschaft in der Gewerkschaft, ein anderer ist die Interessenvertretung gegen zunehmend prekäre Entlohnung. Seit 2007 ist Christiane Böhm im rheinland-pfälzischen "Selbstständigen- und Freienrat" engagiert.

Auch Walter Biegner (52) hält gewerkschaftliches Engagement für eine gute Sache. Der gelernte Radio- und Fernsehtechniker hat sich als Angestellter viele Jahre mit Großrechnern und mit PC-Technik beschäftigt. Als Ende der 80er Jahre Personal "eingespart" werden musste, ging er in die Selbstständigkeit. Spezialisiert hat er sich auf Sicherheitstechnik, er installiert und wartet die Zutrittskontrollen zu Gebäuden, Zeiterfassungsgeräte oder automatische Türen für Menschen mit Behinderung. In seinem 1991 gegründeten Betrieb hatte er zeitweilig bis zu 14 Beschäftigte. Durch einen Unfall teilweise arbeitsunfähig geworden, musste er sein Unternehmen verkleinern und arbeitet heute mit noch einem Mitarbeiter. "Zum Glück war ich gegen Berufsunfähigkeit versichert, sonst hätte ich meine gesamte Existenz verloren", berichtet Biegner.

Erst vor zwei Jahren ist er ver.di-Mitglied geworden. Bei ver.di will Biegner sich in Zukunft verstärkt engagieren, vielleicht im nächsten "Freienrat" mitmachen und seine Erfahrungen als Arbeitnehmer und Arbeitgeber, also von beiden Seiten der Medaille, an andere Selbstständige weitergeben.

Vielfalt stärkt

Freie und Selbststständige in ver.di Rheinland-Pfalz haben bei der Mitgliederversammlung am 2. Oktober (s. Kasten) Gelegenheit, für eine starke Vertretung ihrer Interessen zu sorgen. Dann säuft auch so schnell niemand ab.

Hier werden Sie vernetzt

Erster Freien- und Selbstständigentag in Rheinland-Pfalz

Wie vernetzen wir uns am effektivsten? Wie ermittle ich als Freie/r oder Selbstständige/r meinen Marktwert? Antworten darauf gibt Ulli Schauen, Vorsitzender der Bundeskommission Freie und Selbstständige in ver.di beim ersten Freientag in Rheinland-Pfalz am Samstag, den 2. Oktober 2010.

Ab 13 Uhr lädt der Freienrat Rheinland-Pfalz dazu ins DGB-Haus nach Mainz, Kaiserstraße 26-30 ein. Auch zu Beratung und Erfahrungsaustausch gibt es Gelegenheit. Im Anschluss findet ab 15 Uhr 30 die Mitgliederversammlung der Freien und Selbstständigen in ver.di Rheinland-Pfalz statt.

Tagesordnung:

  1. Begrüßung
  2. Wahl der Versammlungsleitung
  3. Geschäfts-, Wahl- und Tagesordnung
  4. Wahl der Mandatsprüfungs- und Wahlkommission
  5. Bestätigung der Antragskommission
  6. Geschäftsbericht des Freienrats mit Aussprache und Entlastung
  7. Bericht der Mandatsprüfungs- und Wahlkommission
  8. Nominierungen und Wahlen
  9. Beratung und Entscheidung über Anträge
  10. Schlusswort

Anträge bitte schriftlich bis 18. September 2010 an ver.di-Landesbezirk, Münsterplatz 2-6, 55116 Mainz, z.H. Pia Müller, E-Mail pia.mueller@verdi.de