Angehörige trauern um ein Opfer des Brandes beim H&M-Zulieferer Garib & Garib

VON Andreas Hamann

Ein T-Shirt mit dem Slogan "Make a change" ("Verändere was") kostet bei H&M in Deutschland nur 9,95 Euro. Eine Textilarbeiterin in Bangladesh verdient mit knapp 20 Euro Monatslohn gerade das Doppelte davon. Bei vielen Menschen in Bangladesh ist deshalb Schluss mit der Geduld; im Juni eskalierten nahe der Hauptstadt Dhaka Proteste und mehrtägige Streiks. Zehntausende wütende Beschäftigte beteiligten sich. Sie verlangen höhere gesetzliche Mindestlöhne. Es kam zu gewaltsamen Auseinandersetzungen, die Polizei ging mit Härte gegen die Demonstranten vor.

Hauptsache billig

Schaut man, wie die meisten in Europa verkauften Kleidungsstücke hergestellt worden sind, ist Veränderung in jeder Hinsicht nötig. Besondere Betroffenheit hat eine Brandkatastrophe in einem Zulieferbetrieb von H&M ausgelöst, bei der 22 Menschen ums Leben kamen.

Alle wichtigen deutschen Handelsketten lassen in Bangladesh produzieren, wo sie Qualität zu niedrigen Preisen ordern. Das asiatische Land hat rund 3 000 Textilfabriken mit zwei Millionen meist weiblichen Beschäftigten. Der Preisdruck auf die Hersteller ist enorm, und einzelne Discounter wie Lidl und KiK tun sich nach Recherchen der "Kampagne für Saubere Kleidung" (CCC) dabei noch besonders hervor. "Sie versuchen immer, uns auszuquetschen", kritisierte der Chef des Textilunternehmer-Verbandes BKMEA, Fazlul Hoque, Anfang Juni die Auftraggeber. In der Tatsache, dass die Einkäufer aus aller Welt gleichzeitig auf bessere Arbeitsbedingungen in der Produktion drängen, sieht er nur bittere Ironie.

Im Feuer

Auch die Modekette H&M lässt sehr viel für ihr Sortiment in Bangladesh nähen. Alle Hersteller müssen unterschreiben, wenigstens den staatlichen Mindestlohn von momentan 20 Euro zu zahlen. Viele Frauen arbeiten aber für weniger, denn nicht jede Fabrik hält sich an die Vorgaben. Extrem viele Überstunden und zu lange Arbeitszeiten zählen zu den Hauptproblemen.

"Um die Lage der Menschen in den Produktionsländern zu verbessern, ist auch der Protest in den Abnahmeländern notwendig", sagt Johann Rösch, der bei ver.di für H&M zuständig ist. "Wir brauchen dringend eine länderübergreifende Solidarität."

Massiver Polizei-Einsatz am 27. Juni in Dhaka: Eine Demonstrantin wird abgeführt

Wie andere Konzerne hat auch H&M einen Verhaltenskodex für Lieferanten aufgestellt. Neben dem Mindestlohnniveau sind darin die Gewerkschaftsfreiheit, das Verbot von Kinderarbeit, Höchstarbeitszeiten und weitere soziale Standards vorgeschrieben. Ausführlich wird der Brandschutz geschildert, der zwingend einzuhalten sei.

Dennoch starben am 25. Februar in Bangladesh 22 Menschen, als im Gebäude des H&M-Zulieferers Garib & Garib bei Dhaka ein Brand ausbrach. 50 Menschen wurden schwer verletzt. Gutachter der Regierung stellten nach der Katastrophe eklatante Mängel fest. Nach ihrem Bericht hatten Kisten die Notausgänge blockiert. Feuerlöscher fehlten oder waren defekt.

Da sich H&M seiner intensiven Kontrollen in den Zulieferfirmen rühmt und bei einer Inspektion im Oktober 2009 angeblich keine Defizite festzustellen waren, tauchen viele Zweifel auf. Wie ernsthaft werden die Sozialstandards in der Bekleidungsindustrie wirklich umgesetzt? Für die Textilgewerkschaft NGWF in Bangladesh steht fest, dass "solche Unfälle nur verhindert werden, wenn die Beschäftigten an der Überwachung der Arbeitsbedingungen beteiligt sind". Sporadische Kontrollen reichten nicht aus. Die Organisation fordert von der Justiz, Garib & Garib strafrechtlich zu verfolgen, sieht aber auch H&M in der Verantwortung. Anfang Juni verlangte die Gewerkschaft höhere Entschädigungen und vor allem eine Verdienstausfall-Regelung für die meist bitterarmen Hinterbliebenen.

Solidarität aus Deutschland

Entsetzt über die Katastrophe äußerten sich ver.di und der Gesamtbetriebsrat von H&M in Deutschland. In einem Brief an die Stockholmer Konzernzentrale unterstützt das Gremium die Forderungen aus Bangladesh. Die Unternehmensleitung solle Einfluss nehmen, dass "Arbeitsschutzkomitees unter Beteiligung der Gewerkschaften zugelassen werden". Das Recht, sich gewerkschaftlich zu organisieren, müsse bei allen Zulieferern durchgesetzt werden, schreibt die GBR-Vorsitzende Andrea Schlomm.

Auf die Schlüsselrolle der Konsumenten weist immer wieder der Präsident der NGWF, Amirul Haque Amin, hin. Er kommt im September nach Deutschland. Bereits im Juli wird die Solidarität der H&M-Beschäftigten auf einer bundesweiten Betriebsrätekonferenz diskutiert werden.

Wichtig sei politischer Druck auf die Zentralen der Handels- und Modeketten, betonte Amin in einem Interview. Seine Organisation will außer mehr Arbeitssicherheit auch Einkommen durchsetzen, die eine menschenwürdige Existenz sichern. Nächstes Etappenziel in Bangladesh sind umgerechnet 59 statt 20 Euro Mindestlohn.

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