Pressenachrichten

FRANKFURTER ALLGEMEINE ZEITUNG 2. JULI 2010 Die "Kodifikation" des Grundsatzes betriebsweiter Tarifeinheit wäre damit ein Beispiel für schlechte Gesetzgebung: als Maßnahmegesetz zerstört es eine bewährte schlanke Kodifikation, als Staatshilfe für Gewerkschaften bekämpft es nur die Symptome ihres Zerbröselns mit untauglichen Mitteln, insbesondere auch deshalb, weil dabei wesentliche arbeitskampfrechtliche Implikationen nicht geregelt werden können. Das Arbeitskampfrecht ist nämlich seinerseits dank der Macht des Tarifkartells ungeregelt geblieben. Die Richter würden sich am Ende freuen, den insuffizienten Gesetzgeber auch in Zukunft wieder über die Folgen seines kurzsichtigen Tuns belehren zu können.


Wettbewerb schadet nicht

SÜDDEUTSCHE ZEITUNG 2. JULI 2010In den letzten Jahren konnte man den Eindruck gewinnen, dass die großen Gewerkschaften den notwendigen Druck der Basis, der für ausbalancierte Tariflösungen nötig ist, nicht immer erzeugen konnten, sondern ihr Beitrag zur Sozialpartnerschaft mehr in der Teilnahme an runden Tischen in Berlin bestand. Beides ist aber notwendig, um den sozialen Konsens als Erfolgsmodell in Deutschland zu erhalten. Die großen Gewerkschaften sollten deshalb die Herausforderung durch die Konkurrenz annehmen.


Keine neue Verkäuferinnengewerkschaft

DIE TAGEZEITUNG 24. JUNI 2010Einiges lässt sich allerdings jetzt schon mit gutem Grund vermuten: So werden sich keineswegs plötzlich massenhaft Minigewerkschaften gründen, die sich gegenseitig Konkurrenz machen. Diese sind als Modell nur dann erfolgreich, wenn ihre Mitglieder Schlüsselpositionen in Betrieben besetzen, sie bei Streiks also Wirkung entfalten können. Für solch hoch spezialisierte Berufsgruppen existieren schon längst Spartengewerkschaften, so wie es etwa bei Ärzten, Piloten oder Lokführern der Fall ist. In den allermeisten Branchen jedoch ist eine aufwändige Neugründung gegen die alteingesessene Großgewerkschaft aussichtslos - es wird neben Ver.di kaum neue VerkäuferInnengewerkschaften geben.


Bsirske erobert Herzen

FRANKFURTER RUNDSCHAU 19. JUNI 2010Ich sage neulich zu meinem Boss und großen Vorsitzenden: "Chef, ziehen Sie sich etwas Hübsches über, wir gehen gegrillte Hummerschwanzspitzen essen und trinken ein paar Flaschen Champagner. Der Mensch braucht doch nicht viel zum Leben." Wenig später standen wir an einer Würstelbude und der Chef, üblicherweise freundlich, aber distanziert, fragt: "Interessieren Sie sich für Fußball?" Das ist jetzt aber ein paar Tage her. Dazwischen traf ich einen anderen großen Chef. Nämlich, hier zählt des Genitivs Umgehung zum Eigennamen, "den-von-Verdi-Bsirske". Einige Minuten lang saß der Gewerkschaftschef neben mir. Verstohlen schaute ich zu seinen Schuhen und versuchte herauszufinden, ob sie wohl mehr als hundert Euro gekostet haben, weil man das als Hauptstadtjournalist so macht, um bei Gelegenheit schreiben zu können: "Bsirske trägt handgenähte Schuhe, derweil Kurzarbeiter vor Hunger aus den Schuhen kippen und anfangen, ihre eigenen Hände zu essen." Gerade fing ich also an nachzugucken, stand er auf und ging zum Podium. Mir fiel ein, dass die Bild-Zeitung ihn hatte stürzen wollen, weil er als Aufsichtsrat der Lufthansa gratis First Class nach L.A. geflogen war, während deutsches Lufthansa-Flugpersonal streikte. Ich fragte mich, während Bsirske die Herzen der Zuhörer im Sturm zu erobern versuchte, warum es in Deutschland so verpönt ist, für sein Flugticket mal nichts gezahlt zu haben.