SEHEN

Men on The Bridge | Drei Männer, drei Generationen, drei Leben im Stillstand. Vergeblich bewirbt sich Fikret (17), der zwischen Autokolonnen illegal Rosen verkauft, um einen besseren Job. Polizist Murat (24) flirtet im Internet mit Frauen, von denen ihn aber keine nach dem ersten Date noch einmal treffen will. Genervt von den ewigen Streits mit seiner frustrierten Frau, die einen höheren Lebensstandard einfordert, ist Taxifahrer Umut (28). Auf der Bosporusbrücke, der Verkehrsader Istanbuls, kommt es zu flüchtigen Begegnungen der drei Einzelkämpfer, die sich in diesem stark dokumentarisch geprägten, stimmungsvollen Film auch selbst spielen. Unaufdringlich und subtil wirft Asli Özge ein Licht auf die sozialen und gesellschaftlichen Probleme in der modernen Türkei: Es fehlt an Bildung, Geld und Perspektiven. Die Großfamilie hat ausgedient, viele Singles vereinsamen. Ein respektables Debüt. ki

D/TR/NL 2009. R: ASIL, ÖZGE. D: FIKRET PORTAKAL, MURAT TORKGÖZ, UMUT ILKER. 87 MIN., KINOSTART: 22.7.2010


Kleine Wunder in Athen | Prioritäten zu setzen ist wichtig, um als Kleinladenbesitzer in der griechischen Hauptstadt den Überblick zu behalten. Morgens vier Stühle vor den Kiosk tragen, dort mit den Freunden gemütlich sitzen, gemeinsam die Geschäftseröffnung der Chinesen gegenüber mit Misstrauen beäugen, über albanische Gastarbeiter lästern und Hundeexperimente machen, nachmittags mit den Kumpels zwischen den Läden kicken oder die Exfrau nerven, abends der dementen Mama beim Auskleiden helfen – und spät in der Nacht auf dem Balkon einschlafen. Nichts kann Stavros gelassen unglücklichen Zustand erschüttern, diese von Männerfreundschaft getragene Ziellosigkeit im schäbigen Stadtteil Akadimia Platonos. Doch dann besucht ein verlorener Halbbruder Stavros Mutter, ein Albaner: ein Schicksalsschlag mitten im Fußballfieber. Als subtil stilisiertes Kunstwerk inszeniert von Filippos Tsitos, dem Berliner Fernsehregisseur aus Athen. jv

GR/D 2009. R: FILIPPOS TSITOS. D: ANTONIS KAFETZOPOULOS, TITIKA SARINGOULI, ANASTAS KOZDINE, MARIA ZORBA, 103 MIN., KINOSTART: 22. 7. 2010


Moon | Betörend, diese Stimmen der Bordcomputer, und ebenso allmächtig wie ambivalent, was die Zukunft ihrer menschlichen Schützlinge angeht. In die Tradition von Mutter (Alien) oder HAL 9000 (2001: Odyssee im Weltraum) reiht sich nun Gerty, gesprochen von Kevin Spacey. Der preisgekrönte Moon hat keine Weltraumschlachten oder Aliens, dafür gelegentlich langatmige Passagen sowie einen Techniker auf der mehr als dunklen Seite des Mondes, der nach drei Jahren Dienst allein auf der Metallförderstation in den Abgrund seiner Einsamkeit und Verwahrlosung stürzt. Hilfreich dabei sind das Auftauchen eines Doppelgängers (beide überaus intensiv gespielt von Sam Rockwell) und die Entdeckung eines sargförmigen Raumtransporters. Der jedoch kein Heimweh, sondern bei Aktivierung bloß ein Häufchen Asche produziert, also berechtigte Zweifel an a) dem eigenen Verstand oder b) den Behauptungen der Firma. Alles, was wir schon immer über die Werktätigkeit im Kosmos wissen wollten und bisher zu verdrängen wagten... jv

GB 2009. R: DUNCAN JONES. D: SAM ROCKWELL, 97 MIN., START: 15. 7. 2010