Eine emotionale Sache

John Lennon zum 70. | Wer mit einem Beatle verheiratet ist, muss ein dickes Fell haben. Wie Yoko Ono, die kleine Japanerin, die sich seit über 40 Jahren anhören muss, sie habe die erfolgreichste Band aller Zeiten zur Auflösung gebracht, ihren John zum Hausmann degradiert und seine Popularität für ihre eigene Karriere missbraucht.Das ignoriert sträflich, wie viele Probleme die Tochter aus gutem Hause selbst mit dieser Beziehung hatte. Von ihrer traditionalistischen Familie wurde sie verstoßen, ihre Tochter von ihrem Ex entführt, ihre Musik wie Performances von der Kritik verspottet. Und dann wurde Lennon im Dezember 1980 – im Alter von 40 Jahren – auch noch vor dem gemeinsamen Domizil am New Yorker Central Park ermordet. Ein Schicksalsschlag, der sie „zur professionellen Witwe“ (Ono über Ono) gemacht hat, die seither das Erbe ihres Gatten verwaltet, als exzentrisch gilt, und nun mit zwei Jubiläen klarkommen muss, die sie komplett vereinnahmen: Lennons 70. Geburtstag (9.10.) und 30. Todestag (8.12.). „Ich bekomme Anfragen aus der ganzen Welt. Von Leuten, die etwas für John organisieren wollen – eine Ausstellung, ein Konzert, irgendetwas zu seinen Ehren. Und obwohl ich das toll finde, komme ich kaum hinterher.“

Wobei sie ihre Energie auf ein umfangreiches Erinnerungs-Projekt richtet, das Lennons Plattenfirma EMI aus diesem Anlass veröffentlicht. Darunter die „stripped down“-Version von Double Fantasy, bei der die Instrumente zugunsten der Stimme reduziert wurden. Dazu gesellen sich acht Studio-Alben als schmucke Deluxe-Editionen, eine Greatest Hits-Kopplung unter dem Titel Power To The People, eine 4-CD-Box namens Gimme Some Truth, die verschiedene Seiten des Songwriters beleuchtet (Protestlieder, Balladen, etc.), sowie die opulente Signature Box, die mit unveröffentlichten Stücken, Kunstdruck nebst Buch aufwartet. Alles digital remastert unter den Argusaugen der heute 77-Jährigen, die offen zugibt: „Mir fällt es immer noch schwer, über John zu reden, weil das für mich eine sehr emotionale Sache ist.“Zumal sie – und das hat etwas Tragisches – offenkundig in der Vergangenheit lebt. „Einige der Zimmer in unserer Wohnung habe ich seit 1980 nicht verändert. Er ist ein Teil von mir, genau wie er ein Teil der Popkultur ist. Und ich tue alles, um seine Songs so vielen Menschen zugänglich zu machen, wie eben möglich.“ Das dürfte mit den aktuellen Veröffentlichungen problemlos gelingen. Marcel AndersALLE VERÖFFENTLICHUNGEN BEI EMI


AfroCubism: AfroCubism | Die Aufnahmen, die Ry Cooder im März 1996 in Havanna machte, gingen als Buena Vista Social Club um die Welt. Ursprünglich jedoch sollten daran auch Musiker aus Westafrika beteiligt sein, was Probleme mit deren Visa damals vereitelten. Mit einer Handvoll herausragender Solisten aus Mali ist der Traum nun wahr geworden. Unter der Federführung von Eliades Ochoa, der schon beim Buena-Vista-Projekt dabei war, kamen Koraspieler Toumani Diabaté, Meister Bassekou Kouyate an der N’goni-Laute, Gitarrist Djelimady Tounkara, Sänger Mady Diabaté, Lassana Diabaté am Balafon und Ochoas Band zusammen. Doch wie klingt ein transatlantisches Ensemble, das eigens für diese CD zusammengestellt wurde? In der kubanischen Musik hören die Westafrikaner Echos ihrer eigenen Tradition, und die Kubaner scheinen hörbar erfreut über ein Klangspektrum, das ihrer Musik etwas Neues hinzufügt. So wird AfroCubism zu einer derart gelungenen Begegnung, dass man kaum noch zu unterscheiden vermag, wo die afrikanische Musik aufhört und die kubanische beginnt. rix

WORLD CIRCUIT


Till Brönner: At The End Of The Day | Das ist schon spannend: Hat ihn Till Brönner denn selbst, den „X Factor“? Die Frage drängt sich natürlich auf, seit Deutschlands schickster Jazz-Trompeter zum Casting-Show-Juror an der Seite von Sarah Connor mutiert ist. Als wollte er die Antwortfindung erleichtern, interpretiert Brönner auf At The End Of The Day Klassiker aus der Musikgeschichte von Bach bis Bowie – ganz so, als wäre er Kandidat in der eigenen Sendung. Der Ausflug in den Pop ist für Brönner nicht ungewöhnlich, hat er sich doch mit elektronischen Experimenten oder Bossa-Nova-Alben schon früher gern aus dem Jazz-Elfenbeinturm hinaus gewagt. Aber so ausführlich wie diesmal hat er sich noch nie als Sänger betätigt. Dabei ist es ihm egal, ob er ältere Songs wie And I Love Her von den Beatles oder neue Hits wie Human von The Killers singt: Brönners Stimme übt sich in nobler Zurückhaltung. Das Ergebnis ist über weite Strecken Sprechgesang. Das Urteil der Jury: Till Brönner macht das Beste aus seinem dünnen Stimmchen, aber der „X Factor“ ist nicht zu finden. to

CD, ISLAND/UNIVERSAL