Ausgabe 11/2010
Besser ist noch lange nicht gut
E. Schieber und O. Salomon
THÜRINGEN | Prozentuale Erhöhungen von 14 bis 20 Prozent, eine Einmalzahlung, die Erhöhung von Zuschlägen für den Nachtdienst und die Weiterbildung, eine höhere Vergütung für die Auszubildenden und eine Laufzeit bis zum 31. Dezember 2011: In der Zentralklinik Bad Berka streiten die Beschäftigten seit Beginn des Jahres hartnäckig für einen besseren Tarifvertrag - das jetzt vorgelegte Angebot des Arbeitgebers ist ihnen noch nicht gut genug.
Innerhalb der Rhön-Klinikum AG gehört die Zentralklinik im thüringischen Bad Berka zu den erfolgreichsten Häusern, was die Gewinnerwirtschaftung betrifft. Im vergangenen Jahr waren es 23,4 Millionen Euro. Bundesweit umfasst der Konzern 43 Kliniken, davon 17 in den neuen Bundesländern. Diese 17 erwirtschaften allerdings 67 Prozent des Gesamtgewinns. Das geht nur auf Kosten der Belegschaften.
Nach ver.di-Berechnungen verdiente beispielsweise eine Krankenschwester 586 Euro weniger im Monat, ein Physiotherapeut etwa 328 Euro und eine Sekretärin 484 Euro weniger als ihre Kolleg/innen im Westen. Beim ärztlichen Personal hingegen gibt es keine Unterschiede zwischen Ost und West. Zu Beginn der Tarifrunde zogen die Betriebsräte und die Tarifkommission durchs Haus in Bad Berka und informierten ihre Kolleg/innen über diese Fakten. Die ersten drei Verhandlungsrunden endeten mit nicht annehmbaren Angeboten für das technische und das Pflegepersonal.
Mehr ver.di-Mitglieder - besserer Abschluss
Betriebsrat, ver.di und die Tarifkommission verteilten Flugblätter, redeten immer wieder mit den Beschäftigten, luden zu Betriebsversammlungen. 2009 waren von den 1550 Beschäftigten 90 in ver.di organisiert. Heute sind es etwa 450 - mit steigender Tendenz. Oliver Salomon, der Betriebsratsvorsitzende, sagt: "Wir haben immer wieder erklären müssen, dass erfolgreiche Tarifverhandlungen nur mit dem Rückhalt von genügend ver.di-Mitgliedern und einem kräftigen Warnstreik möglich sind." Den Warnstreik gab's dann am 30. September: Zwei Stunden lang standen 450 Kol-leg/innen vor der Tür - in Sichtweite der Geschäftsführung.
Die vierte Verhandlungsrunde am 19. Oktober begann abermals mit schlechten Angeboten des Arbeitgebers. Die Tarifkommission lehnte die etwa sieben Prozent mehr Gehalt nach einer Mitarbeiterbefragung ab und plante bereits eine Urabstimmung. Am Abend, nach zehn Stunden Verhandlung, zauberte die Geschäftsführung dann noch ein neues Angebot aus dem Hut. "Wir haben lange mit unserem ver.di-Verhandlungsführer Oliver Dilcher diskutiert, wo denn nur der Haken an der Sache sei, weil wir nach der Vorgeschichte sehr skeptisch waren", erzählt Betriebsrätin Evelin Schiebel, die auch der Tarifkommission angehört.
Der Haken ist: Den Beschäftigten ist der Abstand zu den Entgelten im Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst noch zu groß. Vor allem die Berufserfahrenen und seit Jahren Beschäftigten profitieren nicht ausreichend. Oliver Salomon erklärt, warum: "Wir stehen hier in direkter Konkurrenz zu anderen Krankenhäusern. Erstmals ging die Zahl der Bewerber für einen Ausbildungsplatz zurück, die Fluktuation beim Pflegepersonal ist hoch, da müssen Anreize her." Wer gutes Personal will, muss auch attraktive Arbeitsbedingungen bieten, Ausgewogenheit zwischen Arbeits- und Freizeit und die Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Ein Krankenhaus ist ein Spiegel der Gesellschaft: Die Patienten werden älter, der Pflegeaufwand größer.
Bad Berka arbeitet mit hohem Spezialwissen sehr erfolgreich, in einigen Gebieten reicht die Nachfrage über Europa hinaus. Um das Niveau zu halten, braucht die Klinik gutes und vor allem gut bezahltes Personal. Wieder verhandelt wird am 22. Dezember. bt