Das Sammeln von abgelegter Kleidung ist längst ein blühender Geschäftszweig. Immer seltener sind es Bedürftige, die davon profitieren

Mehr, als gebraucht wird: Sortieranlage für Gebrauchttextilien in Thüringen

Von Juliane Wiedemeier

Vielleicht war der Kauf des grünen Hemdes doch etwas zu gewagt. Der Wollpullover aus dem letzten Jahr ist beim genauen Hinsehen ein wenig zu sehr eingelaufen. Und auch die bunten Leggins mit Glitzer werden in diesem Jahrhundert nicht mehr modern. Wen beim Blick in den Kleiderschrank Erkenntnisse wie diese ereilen, der oder die ist meist froh, dass es in Deutschland die Altkleidersammlungen gibt. Denn alte Kleidung entsorgt sich doch viel leichter, wenn man weiß, dass man gleichzeitig etwas Gutes tut - und das nicht nur zur Weihnachtszeit.

Dabei war der Weg, den man bepackt mit schweren Tüten voller alter Klamotten zurücklegen muss, noch nie so kurz wie heute: Schon an der nächsten Straßenecke steht in Großstädten wie Berlin oder Frankfurt der nächste Altkleidercontainer bereit. Und direkt daneben noch einer. Und noch einer. Und wo gibt es eigentlich noch ungenutzte Ecken, in denen es sich keiner dieser meist grenzwertig hässlichen Stahlklötze bequem gemacht hat?

Viele Container illegal

Wer mit offenen Augen durch die Stadt läuft, erkennt, dass die Sammelstellen für die vermeintlich gute Sache zur Epidemie geworden sind. Der Grund dafür ist simpel: Das Geschäft mit der alten Kleidung ist einfach zu lukrativ, um es ein paar karitativen Institutionen zu überlassen. Längst haben sich kommerzielle Textilhändler auf dem Markt etabliert und zwei Probleme mitgebracht, die die gute Sache in ein schlechtes Licht rücken.

Zum einen stellen viele Sammler ihre Container ohne Genehmigung auf öffentlichen Straßen und Plätzen auf und sorgen damit für einen Wildwuchs, dem die Behörden kaum beikommen können. Allein im Berliner Bezirk Tempelhof-Schöneberg soll es 500 solcher illegalen Container geben; nun hat der zuständige Stadtrat Oliver Schworck (SPD) eine Abräumaktion ausgerufen. "Wir können uns nicht von den gewerblichen Händlern, die ihre Gewinne über die Masse machen, auf der Nase herumtanzen lassen", meint er. Um konsequent und regelmäßig alle unrechtmäßig aufgestellten Boxen einzukassieren, fehle es dem Bezirk aber schlichtweg an Geld und Personal. Da sei man auch auf Hinweise aus der Bevölkerung angewiesen.

Zum anderen machen längst nicht alle kommerziell arbeitenden Firmen deutlich, dass sie vorrangig in die eigene Tasche wirtschaften. Besonders problematisch ist dabei der sogenannte Logoverkauf - eine gängige Praxis, bei der karitative Organisationen einem gewerblichen Unternehmen ihr Logo zur Verfügung stellen, aber mit der Sammlung sonst nichts zu tun haben. Mit dem Logo auf dem Container füllt dieser sich dann besonders leicht, wobei die wenigsten Spender wissen, dass nur ein Teil des Erlöses an den guten Zweck geht. Wie hoch dieser Anteil ist, wird zudem meist nicht offengelegt. "Das ist eine Irreführung des Verbrauchers, die den guten Ruf rein karitativer Sammlungen gefährdet", sagt Andreas Voget, Geschäftsführer des Dachverbands FairWertung.

Schießen überall wie Pilze aus dem Boden: illegale Kleidercontainer

Die Menge übersteigt den Bedarf

Vor 17 Jahren wurde der Verband gegründet, als sich Organisationen wie die Diakonie, Oxfam und die Caritas zusammenschlossen, um ein Qualitätssiegel im Bereich der Altkleidersammlungen zu etablieren. Nur wer ausschließlich gemeinnützig arbeitet und offenlegt, was mit der Kleidung passiert und wer vom Handel profitiert, darf beitreten. Mit der romantischen Vorstellung, dass der ausgeleierte Lieblingspullover noch ein Kind in Afrika glücklich machen könnte, wird allerdings auch hier gründlich aufgeräumt: "In Deutschland werden jedes Jahr 1,5 Milliarden Kleidungsstücke ausrangiert", sagt Voget. "Diese Menge übersteigt den Bedarf für soziale Zwecke bei weitem."

Mit dieser Aussage nimmt Voget auch gleich die Luft aus der Reportage des Norddeutschen Rundfunks, die Anfang November die Diskussion um Altkleidersammlungen in Deutschland neu entfacht hat. Neben dem Logo-Verkauf wurde darin angeprangert, dass die gesammelte Kleidung überhaupt weiterverkauft werde, statt direkt an Bedürftige zu gehen - je nach Qualität landet sie auf Märkten in Osteuropa, den arabischen Staaten oder in Afrika. Darüber hinaus zerstöre die Flut an alter Kleidung aus Europa in afrikanischen Ländern wie Tansania die heimische Textilbranche, die mit den Dumpingpreisen der Second-Hand-Produkte nicht mithalten könne, so der Film.

"Es ist wichtig, dass es eine Diskussion um die Transparenz in diesem Geschäft gibt", sagt Voget dazu. Pauschale Urteile seien aber wenig hilfreich, da es durchaus Organisationen gebe, von deren Sammlungen man auch in Afrika weiterhin profitiere. So schaffe auch das Second-Hand-Geschäft zum Beispiel Arbeitsplätze bei Händlern und Näherinnen vor Ort. Wenn man statt dessen alle Kleidung umsonst im Land verteilte, wie es sich manche Spender/innen vorstellten, mache das den Markt erst recht kaputt. "Das Thema ist so komplex, dass man ohne Differenzierung keinem gerecht wird."

Lieber in die Kleiderkammern

Die Zeiten, in denen man bedenkenlos alte Kleidung in den nächstbesten Container stopfen konnte, sind also lange vorbei. Dennoch ist es auch heute noch möglich, zeitgleich mit der Entsorgung auch Gutes zu tun. So rät der Dachverband FairWertung, bei Kleiderkammern und Sozialkaufhäusern nachzufragen, die zumindest einen Teil der Kleidung direkt an Bedürftige weitergeben. "Darüber hinaus empfehlen wir, sich Container genau daraufhin anzusehen, wer hier eigentlich sammelt und gegebenenfalls nachzufragen, was mit der Kleidung passiert", sagt Voget. Auf der Webseite von FairWertung könne man zudem nach Containern eines Fairwertungs-Partners suchen. www.fairwertung.de

So kriegen Sie die Container weg

Wer in seiner Nachbarschaft einen offenbar illegal aufgestellten Container entdeckt, kann dies bei den Behörden melden. Die Zuständigkeiten sind von Stadt zu Stadt aber verschieden:

In Berlin sind die Ordnungsämter verantwortlich und unter der zentralen Servicenummer 030/902396699 zu erreichen.

In Frankfurt am Main kann man sich unter 069/21244044 an die Stadtpolizei wenden. Derzeit dürfen nur das Deutsche Rote Kreuz, der Arbeiter-Samariter-Bund, die Sozialen Dienste Frankfurt sowie das Bistum Limburg aufstellen, heißt es aus der Pressestelle. Allen anderen, egal ob auf öffentlichen oder privaten Grundstücken, fehlt demnach die Genehmigung.

In München ist das Baureferat für die Beseitigung illegaler Container zuständig. Die Telefonnummer lautet 089/23396211.