Sven van Thom: Ach! | Reiten wir nicht weiter darauf herum, dass Sven van Thom mal bei der Band Sofaplanet den Song Liebficken sang – und so zu einem Hit und zweifelhaftem Ruhm gelangte. Vor allem nicht, weil sich der Berliner seitdem alle Mühe gibt, sein Vorleben vergessen zu machen, indem er sehr viel intelligentere Popmusik herausbringt. Auch auf seinem neuen Album Ach! kultiviert er eine distanziertere, von Ironie geprägte Sichtweise aufs Leben. Nicht nur der Albumtitel ist eine Verbeugung vor Loriot, auch für seine Songs übernimmt van Thom die Herangehensweise des großen Humoristen: Immer wieder kippen ganz alltägliche Situationen ins Absurde, Groteske, Komische. Es kann doch schließlich jedem passieren, das sich der neue Schwiegervater als strammer Nazi entpuppt. Die Liebe ist auch van Thoms Lieblingsthema, aber sie verläuft nie unfallfrei, selbst Trennungen geraten bei ihm zum Lustspiel. Diese dem Leben abgeschauten Tragikomödien verpackt van Thom in bisweilen etwas zu netten Pop, der weniger Widerhaken hat als seine Texte. Thomas Winkler

CD, Roof Music / Edel


Soko: I Thought I Was An Alien | Stéphanie Sokolinski ist nicht umsonst im Zweitberuf Schauspielerin. Bekannt wurde die Französin, die sich als Sängerin Soko nennt, mit I Kill Her, einem flotten Folk-Popsong, der vor allem wegen des lustigen, frankophonen Englisch ein Hit wurde. Nun, nur fünf Jahre nach diesem Anfangserfolg, bringt Soko ihr erstes Album heraus, aber die Eckpunkte haben sich deutlich verschoben: Verschwunden ist nicht nur der fast wie eine Karikatur klingende, französische Akzent, sondern auch das Tempo und der Witz. Stattdessen schleicht nahezu jeder Song daher wie ein Dandy: Durchaus elegant, aber wenig enthusiastisch. Kein Wunder, denn über einer reduzierten Begleitung aus Akustikgitarre, Cello und viel Hall beschäftigt sich die 25-Jährige eher flüsternd als singend meist nur mit der unglücklich verlaufenden Liebe. Erstaunlich, wie viel schief gehen kann zwischen Mann und Frau. Aber auch, wie bewegend es klingen kann, wenn jemand darüber singt. Thomas Winkler

CD, Warner


Orquestra Àrab de Barcelona: Libertad | Auch Barcelona blickt auf eine lange Migrationsgeschichte. Die veränderte Lebensrealität in der katalanischen Kapitale spiegeln besonders die Musiker mit fast seismografischem Gespür. Das war schon in den 50ern so, als aus Flamenco und kubanischer Musik die katalanische Rumba hervorging. Seit den 90er Jahren steht vor allem das historische Raval-Viertel mit seinem Mestizo-Sound für das multikulturelle Potential der Mittelmeermetropole. Das Orquestra Àrab de Barcelona ist ein solches interkulturelles Abenteuer und, anders als der Name vermuten lässt, eben doch keine rein arabische Angelegenheit: Die Musiker stammen aus Marokko und Spanien. Mit seinem heiteren, mediterranen Sound aus Gnawa-Trance, arabischen Melodien, Rumba und Flamenco macht sich das Orquestra stark für die Versöhnung entlang der muslimisch-christlichen Bruchlinie und singt an gegen all jene, die im Namen der Religion und Kultur anderen Schaden zufügen. Peter Rixen

World Village / Harmonia Mundi