Triggerfinger: All that dancin’ around | „Es ist schon ein Witz. Da spielen wir uns seit Jahren den Arsch ab. Und dann landen wir einen Hit ausgerechnet mit einem Liedchen, das wir in einer Viertelstunde gelernt und mal eben im Radio vorgetragen haben.“ Der Bassist Paul van Bruystegem, der Einfachheit halber Monsieur Paul genannt, ist Anfang 50 und ganz schön pummelig. Ihm zur Seite stehen der Drummer Mario Goossens, mit Ende 30 das junge Kraftpaket der Band, und Sänger und Gitarrist Ruben Block, ein früh ergrauter Beau, über dessen Alter (42) junge Mädchen verwirrt in allerlei Foren spekulieren. Obwohl Tausende die Band schon mal live auf einem der europäischen Sommerfestivals erlebt haben, ist nicht viel über Triggerfinger bekannt. Hierzulande jedenfalls. In Belgien und Holland führen sie die Charts an. In den 90ern taten sich die drei aus Antwerpen zusammen und begannen als Coverband auf der Straße, in Kneipen, Clubs und schließlich auf Festivals zu spielen. Jahrelang. Sie schrieben bald eigenes Material, perfektionierten ihren emotional ausladenden, harten Rocksound, den sie mit großer Geste und feinem Stilgefühl auf die Leute losließen. Gekrönt wurde ihr Fleiß schließlich mit der Produktion des dritten Albums durch Greg Gordon, der schon Bands wie Oasis oder Slayer bearbeitet hatte; es herrschte Einigkeit über ihren rauen Sound, der zwischendurch immer mal wieder von einem Liebeslied umschmeichelt wird.

Und nun das. Eingeladen in das winzige Hörfunkstudio des holländischen Radiosenders 3FM durften Triggerfinger einen eigenen Song vortragen, mussten aber spontan ein Lied aus den aktuellen Top 50 covern. Triggerfinger wählten den Song I Follow Rivers der schwedischen Sängerin Lykke Li. Da sie nur Gitarre und Bass in das Studio mitgebracht hatten, holte Drummer Mario Goossens sich den Drumbeat über das iPhone, griff zu Messer, Gabel, Tasse und Glas, während Sänger Ruben seinen Gefühlen freien Lauf ließ. Ergebnis: Aus einer netten Mädchenballade war ein mächtiges Liebeslied mit lieblichem Tassengeklingel geworden, das in kurzer Zeit im Internet Erfolge feierte und die Band auf Platz 1 in Belgien und den Niederlanden katapultierte. Inzwischen hat die mächtige Plattenfirma Universal zugegriffen und veröffentlicht nun das Album All that dancin around zum Neu- oder Wiederentdecken, angereichert mit der unfreiwilligen Hitsingle und weiteren neuen Bonustracks der Band. Vermutlich Liebeslieder.

Jenny Mansch

CD, Universal, erhältlich ab 6.7.2012


Cassandra Wilson: Another Country | Als Stimme der neutönerischen New Yorker Jazzmusiker-Kooperative M-Base hat man sie in den Achtziger Jahren zuerst wahrgenommen. Seither hat sich Cassandra Wilson zur Spitze der singenden Divas gesungen. Ihr markantes dunkles Timbre und ihr untrügerisches Jazzfeeling machen sie noch immer unverwechselbar, doch schon seit Jahren beweist die Afroamerikanerin, dass sie auch auf dem Terrain der Singer-Songwriter zur ersten Garde zählt. Mit Sounds und Rhythmen, die man woanders vergeblich sucht. Außerdem mit einer Band, deren handverlesene Musiker auch zeigen dürfen, was sie drauf haben, und nicht nur zur Staffage degradiert werden. Darauf nämlich legt die frischgebackene Echo-Preisträgerin Wert. Aufgenommen hat Wilson ihre Songs und die ihres musikalischen Masterminds und Gitarristen Fabrizio Sotti in New Orleans und Florenz. So ist eine äußerst aparte Begegnung von Blues-Feeling und italienischer Leichtigkeit entstanden, die im Remake des ewigen neapolitanischen Klassikers O Sole Mio gipfelt. Peter Rixen

CD, Entertainment One / Membran


Me And My Drummer: The Hawk, The Beak, The Prey | Berlin besitzt bereits den coolsten Techno-Club, das gentrifizierteste Stadtviertel und den schwulsten Bürgermeister der Welt. Nun fehlt zum großen Glück nur noch ein Pop-Act, der international mithalten kann. Der neueste Kandidat für diese Aufgabe: Me And My Drummer. Und das Duo scheint dazu tatsächlich in der Lage: Denn Charlotte Brandi und Matze Pröllochs, die aus Köln und Tübingen stammen, sind zwar erst kürzlich in die Hauptstadt gezogen, haben aber ihr Debütalbum mit berückend schöner Popmusik mitgebracht. Vor allem die Single You’re A Runner hat schon für Aufmerksamkeit gesorgt, selbst in England: Denkbar geschmackvoll pulsieren ein stahlblauer Electro-Beat und modische Synthesizer, bevor pünktlich zum Refrain donnernde Trommeln, fetter Hall und angemessenes Pathos einsetzen, während Brandi ihre innere Kate Bush entdeckt. Das alles klingt ganz so, als besäße Berlin demnächst auch noch eine der schicksten Popbands der Welt. Thomas Winkler

CD, Sinnbus / Rough Trade


Kid Kopphausen | Wenn sich für Kid Kopphausen zwei der großartigsten deutschen Songschreiber zusammentun, dann kann man schon mit schnöder Normalform glücklich werden. Gisbert zu Knyphausen (33) und Nils Koppruch (47), der einst mit seiner Band Fink bekannt wurde, kommen zwar aus zwei verschiedenen auch musikalisch unterschiedlichen Generationen: Koppruch orientiert sich eher an Folk und Country, während Knyphausen die Gitarren schon mal gern verzerrt lärmen lässt. Diese beiden Seiten stehen auch bei Kid Kopphausen oft nebeneinander, inhaltlich finden die beiden aber problemlos zueinander, nicht nur im programmatischen Eröffnungssong, den sie im Duett bestreiten: „Ich suche Antworten auf Fragen wie diese: Wer bin ich?“ Ansonsten klären die beiden meist getrennt, was „am Arsch der Hölle“ zu finden ist (Blumen und Pralinen), oder was man tun sollte, wenn „der Wind weht“ (Halt den Mast fest). Eine Band, zwei große Poeten, 13 wundervolle neue Lieder. Thomas Winkler

CD, Trocadero / Indigo