Es geht um die Kreise

Die großen Vermögen in Deutschland konzentrieren sich in den Händen einer kleinen Minderheit. Das Bündnis "Umfairteilen", dem auch ver.di angehört, will diese Vermögen besteuern, damit diejenigen für die Krise zahlen, die es sich leisten können

10% der erwachsenen Bevölkerung in Deutschland besitzt 66% (zwei Drittel) des gesamten Nettovermögens (100%). Grundgesamtheit: 70 Millionen erwachsene Personen (Quelle: Deutsches Institut für Wirtschaftsforschung). Die am wenigsten begüterten 50% der erwachsenen Bevölkerung besitzen 1,4 %

Wer hierzulande eine Abgabe oder Steuer auf Vermögen vorschlägt, ist meist prompt mit dem Vorwurf konfrontiert, er wolle dem Mittelstand und den Familienunternehmen ans Leder respektive an die Konten gehen. Dabei geht es um ganz andere Kreise - und um ganz andere finanzielle Dimensionen. Geld ist ja da, auch in der Krise. Allerdings befindet es sich im Privatbesitz einiger Weniger, und zwar in Höhe von mehreren tausend Milliarden Euro.

Die großen Vermögen in Deutschland konzentrieren sich in den Händen einer kleinen Minderheit: Nur ein Prozent der erwachsenen Bevölkerung in der Bundesrepublik besitzt rund ein Drittel des gesamten Nettovermögens. Die Hälfte der erwachsenen Bevölkerung jedoch, nämlich die 50 Prozent am unteren Ende der Besitzstandskala verfügen dagegen alle zusammen gerade mal über 1,4 Prozent (siehe Grafik). Dennoch sind sie es, die bisher die Hauptlast der Krisenkosten tragen - und nach dem Willen der schwarz-gelben Bundesregierung auch weiterhin tragen sollen.

Angesichts dieser drastischen Ungleichverteilung von Haben hier und Lasten dort hat sich in diesem Sommer ein ungewöhnlich breites Bündnis gesellschaftlicher Organisationen zusammengetan, dessen Name zugleich Programm ist: "Umfairteilen - Reichtum besteuern". Unter dieser Losung ruft das Bündnis, dem neben dem globalisierungskritischen Netzwerk attac und den großen Sozialverbänden auch ver.di angehört, für den 29. September 2012 zu einem bundesweiten Aktionstag auf. Gestaltet wird dieser Tag dezentral. Derzeit finden in zahlreichen größeren und kleineren Städten und Gemeinden im Land die Vorbereitungen statt. Schwerpunkte der Aktionen für eine gerechtere Verteilung wird es in Berlin, Bochum, Frankfurt am Main, Köln und Hamburg geben (siehe Kasten).

Das Bündnis "Umfairteilen" konzentriert sich auf zwei Forderungen: Es will eine einmalige Vermögensabgabe, besser gesagt Millionärsabgabe, um auch die Reichsten an den Lasten der Finanzmarktkrise zu beteiligen. Und zweitens die Wiedereinführung der Vermögenssteuer, wie sie die Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft ver.di seit Jahren schon vorschlägt. "Nur angemessen und gerecht", nennt es der ver.di-Vorsitzende Frank Bsirske, "wenn diejenigen, deren Vermögen im Zuge der Bankenrettung durch den Staat mit Steuergeld gesichert wurden, jetzt ihren Beitrag zum Abbau der Verschuldung leisten."

Zugleich weist Bsirske Einwände aus Politik und Wirtschaft gegen eine einmalige Vermögensabgabe zurück, die da lauten, eine solche "Zwangsabgabe" sei nicht vereinbar mit dem Grundgesetz. Eine Vermögensabgabe "zu Lasten der Reichen und Superreichen" sei sehr wohl verfassungsgemäß. Das hat ein Gutachten des renommierten Rechtswissenschaftlers Professor Joachim Wieland gerade erst bestätigt, das ver.di und die Hans-Böckler-Stiftung in Auftrag gegeben hatten.

Ein außerordentlicher Finanzbedarf des Bundes, wie er etwa zur Bankenrettung, zur Rettung anderer Staaten, zur Rückführung aufgenommener Kredite oder zur Absicherung von Garantien und Gewährleistungen entstehe, rechtfertige die Erhebung einer Vermögensabgabe, so Wieland in seinem Rechtsgutachten. Der Professor für Öffentliches Recht, Finanz- und Steuerrecht in Speyer verweist auf den sogenannten Lastenausgleich nach dem Zweiten Weltkrieg, der "als historisches Vorbild" gelten könne. Die Ausrede, die Vermögensabgabe scheitere am Grundgesetz, sei damit widerlegt, so Bsirske. Es gehe darum, dass "endlich diejenigen für die Krise zahlen, die es sich leisten können, und nicht die Schwächsten".

www.umfairteilen.de

Zum Rechtsgutachten: http://boeckler.de/pdf/pm_2012_08_17_wieland.pdf


Das Auge kann gar nicht so schnell blicken, wie der Reichtumszähler auf der Internetseite des bundesweiten Bündnisses "Umfairteilen - Reichtum besteuern" rast. Der Zähler der Staatsverschuldung steigt immerhin nur im Sekundentakt. Es ist eigentlich eine ganz einfache Rechnung, wenn man daneben noch den Zähler des ärmsten Zehntels der Bevölkerung rattern sieht: Die Reichen werden immer reicher auf Kosten der Armen, die immer ärmer werden, und des Staates, dessen Schulden steigen.

Deshalb gehen am 29. September vielerorts in Deutschland, von Norddeich bis Kempten, Menschen in die Öffentlichkeit, um möglichst viele für ihre Forderung nach einer einmaligen Vermögensabgabe und einer dauerhaften Vermögenssteuer zu gewinnen. "Wenn unser Geld nur noch nach oben fällt, stimmt die Welt nicht mehr, und es wird höchste Zeit, sie zu verändern", sagen allein die 1800 Künstler/innen und Kulturschaffenden der Initiative www.unruhestiften.de. Sie haben sich dem Bündnis "Umfairteilen" angeschlossen. Ihr Appell: "Lasst uns alle gemeinsam die geplanten Aktionen zu ,Fair umverteilen - Reichtum besteuern' am 29. September 2012 erfolgreich und unüberhörbar machen!"

Alle Termine und Aktionen gibt's unter www.umfairteilen.de