SÜDDEUTSCHE ZEITUNG, 19. SEPTEMBER 2012

Allerdings ist es ein Irrglaube, der immer noch weit verbreitet zu sein scheint: Dass Sozialpolitik allein die Aufgabe der Politik ist, und dort vor allem jenes Ressort, das als Bundesministerium für Arbeit und Soziales die Zuständigkeit dafür im Namen trägt. Sozialpolitik ist aber auch der Job jedes Einzelnen. Wer seine Ausbildung verschläft und wer sich später den Beitrag für eine Gewerkschaft lieber spart - der darf sich nicht wundern, wenn er in seinem Leben über das Minimum nicht hinauskommt. Schlecht bezahlt wird grundsätzlich dort, wo Gewerkschaften mangels Mitglieder schwach sind.


Schmerzhafter Kulturwandel

FINANCIAL TIMES DEUTSCHLAND, 31. AUGUST 2012

Anshu Jain ist Chef der Deutschen Bank geworden, weil er etwas vom Investmentbanking versteht, Jürgen Fitschen, weil er viele Politiker und Unternehmenslenker kennt. So, wie die Dinge liegen, wird ihnen in den nächsten Jahren eine wesentliche Qualifikation fehlen: der richtige Umgang mit mächtigen Arbeitnehmervertretern. [...] Zum Konflikt wird es kommen, wenn Jain und Fitschen im Filialgeschäft umbauen müssen, das heute im Grunde noch so betrieben wird wie seit 30 Jahren schon. Dort sitzt die Mehrzahl der Verdi-Mitglieder, und dort ist ein Strukturwandel überfällig. Das Internet sortiert gerade die Geschäftsmodelle beispielsweise im Einzelhandel und bei den Medien neu. Das Privatkundenbanking mit seinen Öffnungszeiten von 9 bis 16 Uhr und personell komfortabel ausgestatteten Filialen in Toplagen wird eine der nächsten Branchen sein. Bsirske weiß, was er in solchen Situationen zu tun hat. Jain und Fitschen nicht. Für sie wird dieser Kulturwandel schmerzhaft.


Ein Zwischenruf zu Scheinriesen

DER TAGESSPIEGEL, 31. AUGUST 2012

Die meisten Bürger dieses Landes sehen im Verfassungsgericht die glaubwürdigste Institution auf deutschem Boden. In Wahrheit aber erodiert der Einfluss des Gerichts in dem Maße, in dem der europäische Einigungsprozess voranschreitet. Die Bundesbank, der Bundespräsident, die Kirchen, die Gewerkschaften: Sie alle haben aus unterschiedlichen Gründen ein ähnliches Schicksal erlitten. Heute denkt niemand mehr, dass die Gewerkschaften die Arbeiterschaft vertreten.


Keine Ketten

SÜDDEUTSCHE ZEITUNG, 4. OKTOBER 2012

Die Zeiten, in denen Gewerkschaften und SPD Seit' an Seit' schritten, sind lange vorbei. Wahlempfehlungen wie zu Zeiten Helmut Kohls, als die SPD der parlamentarische Arm der Arbeitnehmer-Vertretung war und die wiederum als Mehrheitsbeschafferin für die Sozialdemokraten agierte, gibt es nicht mehr. Der Streit um die Agenda 2010 und die Rente mit 67 hat die Gewerkschaften eines gelehrt: Sich nicht an eine Partei zu ketten, auch nicht an die SPD.


Was wir schon immer von Ihnen und Euch wissen wollten...

erfragen wir in den kommenden Wochen in einer Leser/innen-Umfrage per Telefon. Über die Ergebnisse der Umfrage zu Gestaltung, Inhalt, Aufbereitung von Themen, Lesefreundlichkeit und einiges mehr informieren wir in der ver.di PUBLIK, sobald sie da sind.

Auch über unsere Internetseite www.verdi.de wollen wir Sie und Euch befragen, und zwar online. Wer daran teilnehmen möchten, gehe einfach auf: www.verdi.de