Nicht nur Menschen, auch Dinge altern. Doch während der Fortschritt menschliches Leben verlängern hilft, wird die Lebensdauer vieler Produkte von den Herstellern absichtlich verkürzt. "Geplante Obsoleszenz" heißt diese Kaputtgeh-Strategie, gegen die sich zunehmend Widerstand regt

Die Liste der angezeigten Mängel ist lang. Da quittieren Kaffeemaschinen wegen "unergründlicher Kurzschlüsse" vorzeitig den Dienst. Da erleiden Notebooks tödliche Hitzeschäden, weil die Lüfter im Gerät so ungünstig positioniert sind, dass eine Überhitzung der Elektronik programmiert ist. Da hängt das Leben teuerer Flachbildmonitore an dünnen Kunststoffstegen, mit denen der Ein/ Aus-Schalter befestigt ist: Bricht der Kunststoff, ist der Schalter hinüber - und mit ihm das Gerät. Da gehen Waschmaschinen, Geschirrspüler, Fernseher, Receiver, Spielkonsolen, Heizlüfter, Kameras und Drucker reihenweise kaputt, und die Antwort, die die erbosten Kund/innen im Fachhandel bekommen, ist immer dieselbe: Reparatur? Lohnt sich nicht! Dabei verbindet die Produkte, die ihre Nutzer/innen auf der Online-Plattform www.murks-nein-danke.de gemeldet haben, ein gemeinsames Schicksal: Sie haben den Ablauf der Garantiezeit meist nur knapp überlebt. Ein Zufall?

Murks? Nein danke!

Stefan Schridde ist Betriebswirt. Er hat die Plattform "Murks? Nein danke" eingerichtet und mag an Zufälle nicht mehr glauben. Doch weil schwierig nachzuweisen ist, dass die Unternehmen gezielt Sollbruchstellen in ihre Geräte einbauen, hat er sich entschieden, den Murks wenigstens öffentlich zu machen. Sein Ziel: ein Online-Barometer, das zeigen soll, welche Firmen besonders kurzlebige Produkte auf den Markt bringen. So soll über die Verbraucher Druck auf die Hersteller ausgeübt werden.

Denn die sind zunehmend genervt von der kurzen Nutzungsdauer ihrer Neuanschaffungen. Sabine Stadtmueller ist eine von ihnen. Seit Jahren ärgert sich die Autorin über den raschen Verschleiß von Aufnahmetechnik, über ständige Neuentwicklungen und die mangelnde Kompatibilität ihrer Geräte, die ihr immer wieder Neukäufe aufnötigen. Viele Daten hat sie noch auf Disketten gespeichert, viele Filme noch auf VHS-Kassetten. "Das alles zu überspielen, würde meine restliche Lebenszeit überschreiten", scherzt sie. Doch wie lange wird sie sie noch abspielen können? "Mein erster Fernseher hat fast zwanzig Jahre gehalten, mein letzter VHS-Rekorder war schon nach einem halben Jahr kaputt." Der Hersteller schickte ihr daraufhin zwar ein neues Gerät - reparierbar war der Schaden jedoch nicht mehr.

Dieses Logo passt den Unternehmen gar nicht in den Kram

Dass der Unmut der Verbraucher/innen zunimmt, ist ein Verdienst des Internets - und der Filmemacherin Cosima Dannoritzer. Mit ihrer Dokumentation Kaufen für die Müllhalde hat sie das Phänomen in die breite Öffentlichkeit getragen und gezeigt, dass geplante Obsoleszenz keineswegs ein Hirngespinst kapitalismuskritischer Paranoiker ist. Minutiös belegt sie, wie Hersteller seit den Zwanzigerjahren gezielt Verfahren einsetzten, um ihre Produkte verschleißanfälliger zu machen und so die Nachfrage - und damit den Absatz - künstlich zu steigern. Das bekannteste Beispiel sind Glühbirnen: Sie brannten zunächst 2 500 Stunden und länger - bis sich die Hersteller 1924 zu einem Kartell zusammenschlossen und beschlossen, die Lebensdauer jeder Leuchte auf maximal 1 000 Stunden zu begrenzen. Auch Nylonstrümpfe waren bei ihrer Markteinführung 1940 quasi unzerstörbar. Doch damit sich genau das änderte, bekamen die Chemiker der Firma DuPont schon bald den Auftrag, die Fasern so zu verändern, dass sie schneller kaputt gingen. Schließlich hatte schon 1928 eine Werbezeitschrift gewarnt: "Ein Artikel, der nicht verschleißt, ist eine Tragödie fürs Geschäft."

Immer mehr Unternehmen verlangten daraufhin von ihren Technikern und Ingenieuren, sogenannte "Death Dates" in ihre Produkte einzubauen - oft gegen den Widerstand derer, die das nicht mit ihrem Arbeitsethos vereinbaren mochten. "Heute", so Cosima Dannoritzer, "steht geplante Obsoleszenz an allen Design- und technischen Hochschulen auf dem Lehrplan." "Produktlebenszyklus" heißt das dann beschönigend.

Die kalkulierte Verschleißanfälligkeit moderner Produkte hat massive Folgen, wie Dannoritzer zeigt. Deklariert als "Gebrauchsgüter" wird unser Elektroschrott nach Afrika verschifft, wo er auf illegalen Müllkippen entsorgt wird. Kinder und Jugendliche aus armen Familien tragen schwere Gesundheitsschäden davon, wenn sie die Kunststoffteile abfackeln, um an das begehrte Altmetall zu kommen. Dazu kommen Umweltschäden, die schon bei der Herstellung, beim Transport und der Entsorgung entstehen, sowie der enorme Verbrauch an Energie und Ressourcen. Axel Mayer, Geschäftsführer der BUND-Regionalgeschäftsstelle in Freiburg, ist deshalb überzeugt, dass geplante Obsoleszenz eines der zentralen ökologischen Probleme unserer Zeit ist: "Der neueste Bericht des Club of Rome zeigt ja, dass wir uns eine derartige Verschwendung nicht mehr leisten können. Heute muss die zentrale Frage lauten: Wie gelingt es uns, mit einem geringen Input an Rohstoffen und Energie ein gutes Leben zu führen?"

Die Garantie erhöhen

Vorschläge dazu gibt es genug. Würden die versteckten Kosten für Abfallbeseitigung und Recycling, für CO2-Emissionen und andere Umweltbelastungen bei Herstellung und Transport miteinkalkuliert, wären die Anreize für die Unternehmen höher, langlebige Produkte herzustellen. Dass zudem gesetzliche Vorgaben nötig sind, sieht auch Hyewon Seo. Sie ist zuständige Referentin beim Bundesverband der Verbraucherzentrale und plädiert für eine Verdoppelung der bisherigen Gewährleistungsfristen auf vier Jahre. Gleichzeitig setzt sie auf die Öko-Designrichtlinie der EU: "Dort könnten die Nachrüstbarkeit und die Reparierbarkeit festgeschrieben werden." Damit dürften zum Beispiel Akkus nicht länger so in iPads, E-Book-Readern und elektrischen Zahnbürsten verbaut werden, dass ein Austausch zwangsläufig das ganze Gerät zerstört. Verbraucher/innen rät Seo: "Sie sollten mehr auf Qualität und Langlebigkeit achten, nicht nur auf den Preis."

Doch schützt das wirklich? Unter den Geräten, die ihre Nutzer mit Verdacht auf geplante Obsoleszenz bei www. murks-nein-danke.de gemeldet haben, dominieren keineswegs Billigfabrikate. Apple, Sony, Bauknecht, Philips, Braun, Samsung, Canon, Epson, Panasonic, Hewlett Packard sind vertreten - allesamt bekannte Markenhersteller.

Auch der vermeintlich defekte Drucker, den Cosima Dannoritzer in ihrer Dokumentation präsentiert, war so ein Markengerät. Drei Händler rieten zum Neukauf. Dabei war der Drucker vom Hersteller schlicht so programmiert, dass er sich nach einer bestimmten Anzahl von Ausdrucken "aufhängte". Chip gewechselt, Zähler auf Null gestellt, und er tat es wieder.

Kaufen für die Müllhalde von Cosima Dannoritzer, 2010, 75 Minuten

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Für ein geplantes Buch zum Thema freut sich die Autorin über vielfältige Hinweise auf entsprechende Produkte - gerne auch aus dem nicht-elektronischen Bereich - an: geplanteobsoleszenz@googlemail.com