Gruppenbild mit Beschäftigten: So leicht wollen die FRler das Heft nicht aus der Hand geben

Von Renate Bastian

Das war kein Blitz aus heiterem Himmel. In den vergangenen zehn Jahren brauten sich immer wieder dunkle Wolken zusammen, schon häufiger war von einem möglichen Aus der Frankfurter Rundschau die Rede. Mitte November nun wurde für die FR Insolvenz beantragt. Die Geschäftsführung des Druck- und Verlagshauses in Neu-Isenburg - mehrheitlich zum Verlag Dumont-Schauberg und zur SPD-nahen Deutschen Druck- und Verlagsgesellschaft, ddvg, gehörend - gibt das Blatt offenbar auf und kann oder will die Gehälter nur noch bis Ende Januar 2013 aus der Insolvenzkasse bezahlen. Bis dahin soll ein neuer Investor gefunden werden, am besten mit einem tragbaren Konzept. Ansonsten stehen rund 100 redaktionell Beschäftigte im Print- und Online-Bereich auf der Straße. Die rund 250 Beschäftigten der Druckerei sind derzeit nicht betroffen. Sie drucken noch das Handelsblatt und einige Springer-Produkte. Auch andere Aufträge scheinen stabil.

Verleger haben sich die Identität der FR gespart

In "verlegerischen Fehlentscheidungen der vergangenen Jahre" sieht Manfred Moos von ver.di-Hessen eine wesentliche Ursache für die aktuell zugespitzte Misere der FR. Da sei nicht nur der enorme Abbau von Arbeitsplätzen um insgesamt fast zwei Drittel im Rahmen von rigiden Sanierungsmaßnahmen zu nennen. Die Beschäftigten verzichteten auf Lohnbestandteile, um das Blatt zu retten. An den Regionalredaktionen wurde gespart, ein profilierter Chefredakteur entlassen. Der Mantel der Zeitung, also die überregionale Berichterstattung, wurde nicht mehr in Frankfurt, sondern in Berlin produziert. Das Format wurde geändert auf das kleinere Tabloid, was für die Leser angenehmer sein mochte, den Platz für Anzeigen und Text aber verringerte. Fest steht, dass die Abonnentenzahl und die Einnahmen durch Anzeigen stark gesunken sind. Das betraf besonders den Stellen-, den Automobil- und den Immobilienmarkt. Das alles hat dazu geführt, dass der FR die Identität verloren gegangen ist.

An der inhaltlichen und gestalterischen Qualität der FR kann es nach Meinung des Betriebsrats Marcel Bathis nicht gelegen haben. Die FR habe in den vergangenen Jahren einige journalistische Preise erhalten. Die Zeitung stehe nicht nur in der Geschichte der Republik, sondern gerade auch in der jüngsten Zeit für aufklärerische Berichterstattung. Bathis nennt den Missbrauchsskandal an der Odenwaldschule, die Steuerfahnderaffäre in Hessen oder die sehr frühe Warnung vor den Auswirkungen der Atomkatastrophe in Fukushima. "Aber", so Bathis, "der Markt, letztlich auch die Abonnenten, haben den Qualitätsjournalismus nicht gestützt".

Erster Erscheinungstag war der 1. August 1945

Mit der Anmeldung der Insolvenz für "die Rundschau" ging ein Schock nicht nur durch den hessischen Zeitungsmarkt. In wortreichen und besinnlichen Nachrufen wurde der Verlust einer linksliberalen Stimme in der Republik beklagt. Immerhin erscheint die Rundschau seit dem 1. August 1945. Sie hatte in ihrer Gründungsredaktion Sozialdemokraten und Kommunisten. Unter ihrem langjährigen Herausgeber Karl Gerold profilierte sich die sozial-liberale Grundhaltung. Und auch die Gewerkschaften hatten ein Medium, in dem ihre Themen und Anliegen aufmerksam und kritisch begleitet wurden.

Nun wird allerorten diskutiert, was an der Rundschau-Misere hausgemacht, was der technischen Entwicklung und was den veränderten Kommunikationsgewohnheiten geschuldet ist. Für ver.di Hessen steht fest, dass ein mögliches künftiges Konzept alle Medien umfassen muss. Manfred Moos ist davon überzeugt, dass in einer wirtschaftsstarken Region wie dem Rhein-Main-Gebiet eine Zeitung nicht nur überleben, sondern auch schwarze Zahlen schreiben kann.

Genossenschaftsmodell ist im Gespräch

Die Redaktion will energisch an einem Zukunftskonzept arbeiten. Mit einem Aus wollen sich die Beschäftigten und die Gewerkschaft nicht vorschnell abfinden, "sondern mit Nachdruck Möglichkeiten suchen und Wege erkunden, die das Erscheinen der Frankfurter Rundschau sichern", so Moos. Im Gespräch ist auch ein Genossenschaftsmodell. Das aber braucht einen längeren Entwicklungsprozess. Mitte November standen sich noch zwei Positionen gegenüber: die trotzige der Beschäftigten und die der Geschäftsleitung, die wohl möglichst schnell abwickeln will. Vorerst lebt sie, die FR.