Ausgabe 01/2013
In der Datenwelt
GUIDO WINSBERG, 50, Mitarbeiter beim Zensus 2011 in Düsseldorf
Foto: Anna Kaduk
Früher habe ich mir nie Gedanken darüber gemacht, warum Bevölkerungsdaten eigentlich so wichtig sind. Als Privatperson denkt man über so etwas ja nicht nach. Jetzt weiß ich: Sie sind entscheidend für die Planungen von Städten und Kommunen, für den ganzen Staat. Um den wirklichen Bedarf an Kita-Plätzen oder altersgerechten Wohnungen abschätzen zu können, braucht man aktuelles Material. Begriffen habe ich das erst, seit ich beim Projekt Zensus 2011 in Düsseldorf arbeite. Dort bin ich seit dem Sommer 2010. Wir verarbeiten die Daten, die zum Stichtag 9. Mai 2011 erhoben wurden. Unsere Hauptaufgabe ist es, die Daten für spätere Auswertungen aufzubereiten. Zum Beispiel: Wenn jemand auf den Erfassungsbögen handschriftlich eingetragen hat, er verkaufe Artikel im Einzelhandel, ist der Computer mit dieser Eingabe überfordert. In der Datenbank wäre die korrekte Rubrik "Verkäufer im Einzelhandel". Nur damit ist der Computer in der Lage, die Angaben in Codes umzuwandeln. So automatisiert inzwischen alles auch abläuft, man braucht doch noch immer menschliche Vermittlungsstellen.
Vertrauensmann für die Kollegen
Dass ich mal beim Zensus landen würde, hätte ich nie gedacht. Nach meiner Ausbildung habe ich als Radio- und Fernsehtechniker gearbeitet, parallel eine kaufmännische Ausbildung und schließlich das Fachabitur gemacht. Ich war dann lange Werkstattleiter, bis meine Firma geschlossen wurde, und danach bei Quelle, in der Kundenbetreuung und im Verkauf. Durch die Insolvenz von Quelle habe ich mich neu orientiert und wurde auf den Zensus aufmerksam, der Personal suchte, und bewarb mich - mit Erfolg. Leider habe ich nur einen befristeten Vertrag, momentan bis 2014. Ich hoffe zwar, dass ich noch das Glück haben werde, unbefristet beschäftigt zu werden, aber ich schaue mich weiter auf dem Arbeitsmarkt um. Mit 50 bin ich zwar noch nicht alt, aber es wird schwieriger, überhaupt noch zu Vorstellungsgesprächen eingeladen zu werden. Dabei kann ich viele verschiedene Erfahrungen vorweisen, weil mein Berufsweg mich an so viele Stationen geführt hat.
Natürlich ist die Befristung schwierig für die persönliche Planung. Man entschließt sich nicht so leicht zu größeren Investitionen, wenn man nicht weiß, ob man in anderthalb Jahren noch einen Job hat. Ehrlich gesagt, bin ich froh, dass ich befristete Verträge erst in dieser Phase meines Lebens kennengelernt habe. Meine Tochter ist inzwischen 18 und macht Abitur. Ich sehe bei vielen jüngeren Kollegen, wie schwer es ist, eine Familie zu gründen, wenn man immer das Vertragsende vor Augen hat.
Weil ich weiß, wie belastend das ist, bin ich vor einem Dreivierteljahr zu ver.di gegangen, und inzwischen bin ich auch Vertrauensmann. Gerade wenn man selbst erfahren hat, wie schwierig der Arbeitsmarkt geworden ist, kann man für die Interessen der befristet eingestellten Beschäftigten sprechen. Und ich finde, das muss man auch: Wenn man immer nur privat darüber redet, ändert sich nichts. Man muss das weitertragen, und ich glaube schon, dass man dann auch etwas bewirken kann.
Protokoll: Susanne Kailitz