Ausgabe 02/2013
Griff in die Taschen der Versicherten
Herbert Weisbrod-Frey ist Bereichsleiter Gesundheitspolitik bei ver.di
Erst wollte Finanzminister Schäuble die Haushaltslücke 2014 mit einem Zwei-Milliarden-Griff in den Gesundheitsfonds der Gesetzlichen Krankenversicherung schließen. Jetzt springt ihm Gesundheitsminister Bahr bei und verspricht dem Ministerkollegen sogar 3,5 Milliarden Euro. Die Kassenüberschüsse machten es möglich. Bahr rühmt sich, dass er als einziger Minister zur Haushaltssanierung beiträgt. Das Dumme nur: Das Geld gehört ihm gar nicht. Es ist das Geld der Versicherten, und weder Schäuble noch Bahr sind Mitglied der großen Gemeinschaft der Krankenversicherten. Sie verteilen das Geld der anderen.
Die bisherigen staatlichen Zahlungen an den Gesundheitsfonds sind kein Almosen. Sie sind Ausgleich für familienpolitische Leistungen rund um Mutterschutz und Vorsorge für Kinder. Die Krankenkassen erbringen sie im Auftrag des Sozialstaats. Die Spendierfreudigkeit des Ministers ist in Wirklichkeit ein Griff in die Taschen der Versicherten. Die müssen 2014 mit Zusatzbeiträgen rechnen - in Euro und Cent - alleine, ohne die Beteiligung der Arbeitgeber. Schwarz/Gelb hat den Solidarbeitrag eingefroren. Die Lücke zwischen Einnahmen und Ausgaben müssen künftig allein die Versicherten schließen, mit einer Kopfpauschale unabhängig von ihren Einkünften. Das Manöver ist durchsichtig: Erst nach der Bundestagswahl soll den Versicherten die Rechnung dafür präsentiert werden, was die beiden Minister aus dem Gesundheitsfonds genommen haben.
Der Schäuble/Bahr-Coup ist ein weiteres Indiz für die Unzuverlässigkeit der Steuerfinanzierung von Gesundheitsausgaben. 2003 kam eine Erhöhung der Tabaksteuer der Krankenversicherung zugute. Vier Jahre später war es damit schon wieder zu Ende. Ab 2009 gab es wieder mehr Geld aus dem Steuerhaushalt. Jetzt wird es wieder weggenommen. Das ständige Auf und Ab macht Planungen schwerer. Eine verlässliche Finanzierung der Gesundheitsausgaben sieht anders aus. Es ist Zeit für eine gerechte Gesundheitspolitik.