Ausgabe 02/2013
Musik
Von Paradies Naiv |Laing: Paradies naiv | Gesamtkunstwerk, das muss heute schon drin sein, wenn man im Popgeschäft reüssieren will. Drunter geht’s nicht mehr seit Lady Gaga. Tatsächlich wirken Laing wie die deutsche Antwort auf den US-Superstar. Geht das Berliner Trio doch nur mit eigens geschneiderten Kostümen, ausgefeilter Choreographie und modernem feministischen Selbstbewusstsein auf die Bühne. In denen verbindet Band-Chefin und Vordenkerin Nicola Rost die modernen Erkenntnisse des Gaga-Dancefloor-Pops mit der piepsigen Klangwelt der Neuen Deutschen Welle zu erstaunlich aufregenden Songs, die auch noch ironisch mit der kalten Kraftwerk-Ästhetik kokettieren. Dank dieses Konzepts ist selbst die Neueinspielung des mehr als 50 Jahre alten Trude-Herr-Schlagers Morgens bin ich immer müde nicht nur wie eine spöttische Botschaft aus der Feierhauptstadt Berlin, sondern musikalisch auf der Höhe der Zeit. Thomas Winkler
CD, ISLAND/UNIVERSAL
Käptn Peng & die Tentakel von Delphi: Expedition ins O | Robert Gwisdek hat‘s schon nicht leicht. Nein, nicht weil er der Sohn von Corinna Harfouch und Michael Gwisdek ist. Und erst recht nicht, weil er selbst als Schauspieler schon Erfolge feiert. Aber wenn man die Reime hört, die Gwisdek verfasst, da darf man sich schon Sorgen machen. Denn als Rapper nennt er sich Käptn Peng und kennt auf seinem zweiten Album wieder nur ein einziges Thema: die eigene geistige Gesundheit. Und da tun sich Abgründe auf. Über – vor allem im Vergleich zum textlichen Inhalt – irritierend flotten Rhythmen beschreibt er, wie sein „Verstand zerfetzt und wieder instand gesetzt“ wird. Aber trotz dieser eingeschränkten Themenpalette wird es niemals langweilig auf diesem Album. Das liegt zum einen an dem verblüffenden Wortwitz und der erstaunlichen Eloquenz von Robert Gwisdek, zum anderen an seinem Bruder Hannes, der für die Musik verantwortlich zeichnet und im Gegensatz zu klassischem HipHop seine fantasievollen Klänge nicht aus dem Computer holt, sondern auf zu Instrumenten umgewidmeten Eimern, Besen oder Blechkisten. Thomas Winkler
CD, KREISMUSIK/SOULFOOD
Tommy Finke: Unkämmbar | Beim Öffnen des Promo-Päckchens fällt mir ein kleiner weißer Plastikkamm entgegen. Der Kamm als Lead-Instrument? Der Hörer soll sich besser pflegen? Nein, das CD-Cover gibt Aufschluss: Ach so, Unkämmbar. Zunächst klingt das aber nicht sehr strubbelig. Oft sogar recht poetisch und in viele verschiedene Richtungen gestylt. Jeder Song des Sängers und Komponisten aus Bochum gehört zu einem eigenen Planetensystem. Das rockige, mit Fragen nach dem Lebenssinn gespickte Wer hat mich gemacht? trudelt in der Galaxie Madsen-Deutschrock; Unrasiert und fern der Heimat ist wie ein Roadtrip mit besten Freunden und reichlich Bier; es greift sogar das Ungekämmte wieder auf und fühlt sich in der Umlaufbahn des Singer/Song-writer-Asteroidengürtels von Acts wie Clueso und Phillipp Poisel wohl. Auch folkige Einflüsse mit Mundharmonika oder tanzbare Indiepop-Intros erweitern Finkes Spektrum. Ein schöner Rundumschlag aktueller deutscher Musik, zudem mit Bonustrack auf DVD. Feline Mansch
CD NOTEWORKS/ALIVE/ZEBRALUTION