Ausgabe 02/2013
Von wegen Jobwunder
Mit den Hartz-Reformen wurde nur der Druck auf die Löhne und Menschen erhöht. Das muss sich ändern
Zehn Jahre Agenda 2010 - für die einen Anlass zu Jubelfeiern, für die anderen ein bitterböser Jahrestag. Auf den Jubiläumsfeiern wabern Legenden, wird die Agenda-Politik, deren Kern die Hartz-Gesetze sind, als Erfolgsmodell und Jobmotor gepriesen. Dank Agenda 2010, so heißt es, sei die Beschäftigung im Land auf einen historischen Höchststand gestiegen. Das klingt gut, hat mit der Realität aber nichts zu tun. Tatsächlich ist etwas anderes auf dem Höchststand: die unsichere, die schlecht bezahlte, die so genannte prekäre Beschäftigung. Mit der Agenda 2010 hat sich in Deutschland der Niedriglohnsektor geradezu monströs ausgeweitet und frisst sich immer tiefer in Branchen und Regionen. Rund 2,5 Millionen Menschen verdienen nicht einmal 6 Euro die Stunde, rund 1,4 Millionen von ihnen bekommen weniger als 5 Euro. Leiharbeit, befristete Arbeitsverträge, Teilzeit wider Willen, Minijobs und seit kurzem auch miserabel bezahlte Arbeit auf Basis eines Werkvertrags - die Arbeitgeber lassen nichts aus. Die reguläre, sozialversicherungspflichtige Vollzeitarbeit nimmt rasant ab.
Und damit erklärt sich das angebliche Jobwunder: Das Arbeitsvolumen, so hat es das Institut für Makroökonomie und Konjunkturforschung ermittelt, war 2012 nur geringfügig höher als noch 1994, also fast 20 Jahre zuvor. Zwischen den Jahren 2000 und 2011 ist die Zahl der Arbeitsstunden gerade einmal um 0,3 Prozent angestiegen. Zugleich aber ist die Zahl der Vollzeitarbeitsstellen um 1,8 Millionen gesunken. Das heißt, Arbeit, von deren Lohn die Menschen leben konnten, ist in prekäre Beschäftigungsmodelle aufgesplittert worden - und dank der Armutslöhne billiger geworden.
ver.di mischt sich ein
Das war die eigentliche, die politisch gewollte Zielsetzung der Agenda 2010: den Druck auf die Löhne und auf die Menschen zu erhöhen. Hartz IV macht Angst, ist eine ständige Bedrohung für Erwerbslose und für Beschäftigte. Menschen, die nach vielen Arbeitsjahren ihren Arbeitsplatz verlieren, etwa weil der Betrieb geschlossen wird, bekommen dank Agenda 2010 meist gerade noch ein Jahr Arbeitslosengeld, dann rutschen sie ins Hartz-IV-System. Und wer sich weigert, jede auch noch so minder qualifizierte Arbeit anzunehmen, dem droht die Kürzung des ohnehin zu niedrigen Hartz-IV-Satzes.
Das ist die Realität im Land nach zehn Jahren Agenda 2010. Die Menschen bangen um ihre Würde. Und Hunderttausende, die tagaus, tagein ihrer Arbeit nachgehen, oftmals weit mehr als 40 Stunden die Woche, müssen wegen des Niedriglohns um staatliche Hilfe bitten. Weil das anders werden muss, fordert ver.di seit vielen Jahren einen gesetzlichen Mindestlohn. Und weil es bald anders werden muss, wird ver.di sich auch im Bundestagswahlkampf zu Wort melden: für einen Kurswechsel am Arbeitsmarkt, für gute Arbeit zu fairen Löhnen.