Regieanweisung aus dem Auto

Das Mädchen Wadjda | Es ist ein Wunder und eigentlich unvorstellbar: Eine Frau dreht den ersten saudi-arabischen Film der Welt! In einem Land, in dem es schon eine Pioniertat ist, sich als Frau überhaupt hinter die Kamera zu wagen, und in dem es seit den 1970er Jahren noch nicht einmal auch nur ein einziges Kino gibt, weil religiöse Fundamentalisten Kultur als Sünde erachten. Die Drehbedingungen waren allerdings abenteuerlich. Haifaa Al Mansour musste sich bei den Außenszenen in einem Wagen aufhalten, über Walki Talki ihre Anweisungen geben und überdies die strenge Zensur beachten. Das alles hat sie aber nicht daran hindern können, subtil von der prekären Lage saudischer Frauen zu erzählen.

Die Mutter ihrer jungen Heldin hat zum Beispiel Probleme, zu ihrer Arbeit zu kommen, wenn ihr Fahrer schlecht gelaunt ist. Ohne Begleitung darf sie nicht auf die Straße. Bei jedem Pipifax müssen sie und ihre Tochter das Familienoberhaupt um Genehmigung ersuchen und sich überall dem Blick der Männer entziehen, während diese sich mit der größten Selbstverständlichkeit bis zu vier Ehefrauen nehmen dürfen.

Gleichzeitig verbreitet die Regisseurin auch leisen Optimismus: Wadjda, 10, ungeheuer präsent und lebendig gespielt von der zwölfjährigen Waad Mohammed, ist eines der Mädchen, die etwas verändern werden. Sie ist frecher, mutiger und selbstbewusster als ihre Mitschü-lerinnen. Sie hört westliche Popmusik, trägt rote Turnschuhe unter ihrer Uniform, lässt sich ihre Ansichten nicht verbieten und hat es sich in den Kopf gesetzt, auf ein Fahrrad zu sparen, obwohl sie in Saudi-Arabien als Mädchen damit gar nicht fahren darf.

Die Zehnjährige weiß sich mit Cleverness zu helfen: Der Verkauf selbst geflochtener Freundschaftsbänder und heiß begehrter Mix Tapes bringt einiges ein, und auch als Übermittlerin verbotener Liebesbotschaften lässt sich Kasse machen. Als die illegalen Geschäfte auffliegen und der Schulverweis droht, kommt die Nachricht von einem hoch dotierten Koran-Wettbewerb wie gerufen. Zwar interessieren die orthodoxen religiösen Lehren die aufmüpfige Schülerin nicht die Bohne, aber was tut man nicht alles für ein Fahrrad. Unweigerlich fiebert man mit Wadjda mit. Wird ihr großer Fleiß am Ende belohnt werden? Immerhin ist die Emanzipation in Saudi-Arabien seit der erfolgreichen Filmpremiere in Dubai etwas vorangekommen, so dürfen Frauen und Mädchen endlich radeln. Und zu sehen sein wird der Film in der saudischen Kinowüste demnächst zumindest im Fernsehen. Kirsten Liese

Saudi-Arabien/Deutschland 2012. R: Haifaa Al Mansour. D: Waad Mohammed, Reem Abdullah, Sultan Al Assaf u.a., Start: 5. September 2013


Prince Avalanche | Kein Roadmovie, sondern eine Straßenarbeiter-Dramödie. Wochenlang gelbe Mittelstreifen auf einem Waldsträßchen anzubringen, sieht Alvin als Chance, sich selbst zu finden. Besinnlich den Farbkarren schieben. Kaninchenschmurgeln vor dem Schlafzelt. Mitarbeiter und Zeltgenossen Lance vom Ghettoblaster fernhalten. Straßenarbeiterfrischling Lance wiederum hält diesen Job für die Hürde vor seinem Partywochenende. Komödienregisseur David Gordon Green schickt ihnen einen weiteren Sonderling, den Truckersenioren mit Tequilavorräten und Warnungen vor der Liebe. Prince Avalanche ist das US-Remake des isländischen Films Á Annan Veg. Nach einem Brand im texanischen Bostrop State Park gedreht, wird die betrübte Lady, die dort in der Asche ihres Waldhauses stochert, zur Nachfolgerin des Straßengespensts im nordischen Original von 2011. In der Texas-Version treffen so vier recht verlorene Leute im Filmforst aufeinander. Weder die Arbeit noch der Wald können sie retten, nur ihre bizarren Mitmenschlichkeiten. Jutta Vahrson

USA 2013. R: DAVID GORDON GREEN. D: PAUL RUDD, EMILE HIRSCH, LANCE LEGAULT, JOYCE PAYNE, 94 MIN., KINOSTART: 26. 9. 13


Hans Dampf | In der Märchensammlung der Grimms steckt die Story über einen Volltrottel namens Hans im Glück. Trotz Goldklumpen für sieben Jahre Arbeit wird er am Ende nichts mehr besitzen: Heim zu Mutti! Zwei Filmemacher haben den Stoff jetzt postmodernisiert. Hans aus Köln ist arbeitslos. Ein Pizzabäcker wird ihm einen Teil seiner Ab-findung abluchsen. Gegen ein Foto vom angeblichen Domizil des o-sole-mio-Komponisten an der Amalfiküste. Den Rest bringt der fortan von Italiensehnsüchten getriebene Hans (völlig glaubwürdig: Fabian Backhaus) dann auch noch durch, im steten Tausch von offiziell immer weniger wertvollen Habseligkeiten. Dieses elegant konstruierte und mitreißende Roadmoviemärchen stellt dabei unser Bild von sogenannten Versagern genauso auf den Kopf wie die erbärmlich verlogene Diskussion ums Glück. Die Live-Musiksequenzen mit The Kings of Dub Rock als Automechaniker sind eine Pracht. Einer der bitter raren Höhepunkte der heimatlichen Filmproduktion mit einem Mikrobudget von 50.000 Euro. Jutta Vahrson

D 2012. R: JUKKA SCHMIDT, CHRISTIAN MRASEK. D: FABIAN BACKHAUS, MARIO MENTRUP, CÉCILE MARMIER, NINA SCHWABE, 91 MIN., KINOSTART: 29. 8. 13