Ausgabe 05/2013
Musik
Jaipur Kawa Brass Band: Dance Of The Cobra | Anlässlich ihrer England-Tournee haben sie im Juli auf Bitten von Prince Charles dem königlichen Nachwuchs von Kate & William vor dem Buckingham-Palast ein Ständchen gebracht. Die Liebe der Inder zu den Blechblasinstrumenten reicht unterdessen zurück bis ins Ende des 18. Jahrhunderts, als sie sich für den Sound britischer Kolonialkapellen begeisterten. Doch in den Händen indischer Musiker hat sich der robuste Bläsersound grundlegend verändert. Statt militärischer Zackigkeit grooven Indiens Brass Bands über rhythmisch anspruchsvolle Muster, improvisieren über Volksmusik, Bollywood-Hits und internationalen Pop - kurz alles, was bei einer Hochzeit oder anderen Feierlichkeiten so verlangt wird. Am ehesten sind sie vergleichbar mit den Marching Bands in New Orleans, wären da nicht die typisch indischen Aromen wie der Sound von Sitar, Sarangi und Tabla, einer schrillen Klarinette oder einer hohen Frauenstimme, die Bandleader Hameed Khan "Kawa" seiner Truppe zusätzlich verordnet. Zugegeben, der Tanz der Kobra aus Rajasthan ist exotisch, aber auch irgendwie sehr cool. Peter Rixen
CD, Riverboat/Harmonia Mundi
Marla Blumenblatt: Immer die Boys | Die Zeiten sind unsicher, da verschafft der Blick in die Vergangenheit zumindest ein sicheres Gefühl. Vor allem in Berlin scheint Panik zu herrschen, in der Hauptstadt ist eine Retro-Welle sondergleichen ausgebrochen, deren Protagonistinnen sich Frau Schmidt, Betty Dietrich, Louise Gold oder Kitty Hoff nennen. Die designierte Königin des Trends ist allerdings die in Wien aufgewachsene und früher als Tänzerin im Pariser Crazy Horse tätige Marla Blumenblatt. Die Lieder auf ihrem Debütalbum Immer die Boys sind im schönsten Schlagerduktus gehalten, aber nicht nur der erste kleine Hit vom Cornetto-Eis steckt voller erotischer Anspielungen. So freizügig die Texte, so konsequent rückwärtsgewandt geht es musikalisch zu: Blumenblatt kopiert so tadellos und weitgehend ironiefrei die Hitparaden der 50er und 60er Jahre, dass man zwar ständig an Conny Froboess, Alexandra oder Petula Clark denken muss, aber sehr schön hält sie die Balance zwischen Sehnsucht und Spaß. Thomas Winkler
CD, Four Music/Sony
Thees Uhlmann: #2 | Es gab schon Themen in der Geschichte der Popmusik, die eindeutig mehr Sex besaßen. Aber Thees Uhlmann gelingt es, selbst aus dem tristen Straßenwahlkampf der SPD-Basis im Ruhrgebiet einen knackigen Rocksong zu fertigen. Ansonsten schaut der Frontmann der Band Tomte auf seinem zweiten Solo-Album mit dem schlichten Titel #2 sehnsüchtig den Zugvögeln hinterher, erinnert sich an die ersten Monopoly-Spiele, beklagt das harte Leben in der Großstadt und singt im nächsten Moment das Hohelied auf "den Fluss und das Meer". Uhlmann, früher oft verlacht für seine hemmungslos privaten Texte, ist zu einem sensiblen Chronisten der Bundesrepublik geworden. Weil dazu das Klavier forsch klimpert und die Gitarren unverwandt nach vorne stürmen, verwandelt sich der in Berlin lebende Niedersachse endgültig in einen deutschen Bruce Springsteen, der mit exaktem Blick die Konflikte zwischen Stadt und Land, dem Privaten und dem Politischen, der Liebe und dem Leben beobachtet. Selten klang deutsche Rockmusik so lebendig. Thomas Winkler
CD, Grand Hotel van Cleef/Indigo