Was kostet die Burg?

Global Player | Die Profitgier kennt zwar keine Grenzen. Doch soll es auch anständige Chefs geben, die das allgemeine Lohndumping nicht mitmachen. Von einem solchen beispielhaften Exemplar handelt dieser bittersüße Film. Michael Bogenschütz, Juniorchef einer schwäbischen Textilmaschinenfabrik, spart erstmal bei sich selbst, bevor er auch nur einen Mitarbeiter auf die Straße setzt. Schon seit langem leben er und seine Frau von ihrem Gehalt als Lehrerin, und sogar sein Haus hat der Geschäftsmann an die Bank verpfändet. Trotzdem steht es um seine Firma schlecht. Von wegen "wo wir sind, isch vorne", wie es im Untertitel heißt: Nachdem auch noch ein letzter hoffnungsvoller Großauftrag platzt, scheint Bogenschütz keine andere Wahl mehr zu bleiben, als mit der fernöstlichen Konkurrenz zu verhandeln.

Und als wären das nicht schon der Probleme genug, sitzt dem Einzelkämpfer noch sein alter, tyrannischer Vater im Nacken, der die Lage verkennt, sich an alte Traditionen klammert und sich einbildet, seine beiden Töchter könnten die Firma retten. Bei aller Globalisierungskritik ist dies kein grundtief pessimistisches Drama, auch wenn die Geschichte leicht in ein solches hätte abgleiten können. Regisseur Hannes Stöhr riskiert vielmehr etwas, was im deutschen Kino selten ist: einen tragikomischen Heimatfilm. Und was für einen! Mit einem überwiegend intelligenten Humor wirkt er neben Dutzenden alberner deutscher Blödelkomödien wie eine Ausnahme.

Das beginnt schon damit, dass Stöhr, selbst im württembergischen Hechingen aufgewachsen, die Auswüchse der Globalisierung im Schwabenländle aufspießt, das die "Kinesen" als "süd- liche Provinz" bezeichnen. Seine liebenswerte Selbstironie schlägt freilich auch aus den klanglichen Eigenheiten der regionalen Mundart Funken. Ebenso augenzwinkernd werden aber auch die geschäftswütigen Gäste aus Shanghai auf die Schippe genommen. Ihrer eifrigen Übersetzerin entgeht in der Regel kein Detail, aber bei manchen urschwäbischen Ausdrücken muss sie doch passen. In der vielleicht absurdesten Szene erkundigt sich ein fernöstlicher Delegierter tatsächlich nach dem Kaufpreis der geschichtsträchtigen Burg Hohenzollern. Alles, aber auch alles wollen die Raffgierigen für einen Appel und ein Ei erwerben.

Eine Klasse für sich ist der 89-jährige Walther Schultheiß als kauziger, schwerhöriger, unfreiwillig komischer Patriarch, der mental noch im goldenen Zeitalter des Wirtschaftswunders lebt, aber erstmals auch seiner verlorenen Jugend nachtrauert und sich für die Verbrechen der Nazis schämt. Kirsten Liese

D 2013. R: HANNES STÖHR. D: CHRISTOPH BACH, WALTHER SCHULTHEISS, INKA FRIEDRICH, ULRIKE FOLKERTS. 95 MIN. START: 3.10.2013


Am Ende der Milchstraße | Ein Dorf fernab der Zivilisation. Schweine sind wichtig, Familienstrukturen und der Tauschhandel als Nachbarschaftshilfe. Wir befinden uns jedoch nicht in Papua-Neuguinea, sondern mitten in Mecklenburg. Mit allem, was man jemals vom Landleben gewusst, beschönigt, ignoriert oder vergessen hat. In dieser Doku spritzt das Blut einer sterbenden Sau von Bauer Maxe, Bier und Schnaps fließen in jeder Arbeitspause. Pferdenärrin Gabi hat keinen Traktor, sondern läuft hinter dem Ponypflug her, um ihr Feld zu bestellen. Armut grenzt hier an Genügsamkeit. Viele Dörfler sind oder waren arbeitslos. Der Vollbeschäftigung zu DDR-Zeiten wird dann auch hinterher- getrauert: "Die Mauer können sie wieder hinstellen!" Andererseits funktioniert der Ort als Gemeinschaft. Man besucht sich gegenseitig, statt in die Kneipe zu gehen. Jeder hilft jedem. Und Endvierziger Maxe, fleißiger Kleinlandwirt und Milchhofmitarbeiter, stellt sich seinen Ruhestand so vor: "Dann hol ich mir ein Schwein und geh damit spazieren!" . Jutta Vahrson

D 2012. R: LEOPOLD GRÜN, DIRK UHLIG. D: MAXE, OLI, GABI, MAIK, HARRY, NICOLE, 97 MIN., KINOSTART: 24.10.2013


Die schönen Tage | Warum den Wein ausspucken, wenn man ihn trinken und genießen kann? Caroline (Fanny Ardant) lebt als Zahnärztin im Ruhestand in der Industriehafenstadt Dunkerque/Dünkirchen. Ohne Job langweilt sich eine wie sie natürlich zu Tode, auch mit dem Gatten. Ein Hauch von Verzweiflung weht sie unversehens in ein Seniorenbespaßungszentrum am Ende des Strands. Doch stümperhaftes Töpfern oder ein kindischer Theaterworkshop befriedigen sie noch weniger als die extra für Rentner angesetzte Weinprobe. Das Sinnvollste, was sie dort tun kann, ist, sich in eine Affäre mit einem deutlich jüngeren Kursleiter zu stürzen, dem sie durch ihre Aufmüpfigkeit sofort gefällt. Vor 30 Jahren überwältigte das Charisma der Fanny Ardant in den letzten Filmen ihres Partners François Truffaut, Die Frau nebenan und Auf Liebe und Tod. Jetzt, mit 64 und hellblonden Haaren, ist sie genauso authentisch eigenwillig und hinreißend attraktiv. Die schönen Tage schildert keine von Verlassensängsten geplagte September-bis-Mai-Romanze: Es geht um die Schritte einer Frau in ihre nächste aufregende Lebensphase. Jutta Vahrson

F 2013. R: MARION VERNOUX. D: FANNY ARDANT, LAURENT LAFITTE, PATRICK CHESNAIS, 94 MIN., KINOSTART: 19.9.2013