Ausgabe 07/2013
Pressestimmen
ZEIT CAMPUS, 15. Oktober 2013
Fordern junge Arbeitnehmer zu wenig?
Für junge Leute ist es schwierig, mehr zu fordern. Sie hoffen, dass sie durch besondere Anstrengung eine unbefristete Stelle bekommen können. Leider ist es so, dass diejenigen, denen es besonders schlecht geht, sich weniger organisieren. Eigentlich sollten aber gerade sie aktiv werden, zum Beispiel in der Gewerkschaft.
Onno Dannenberg, VER.DI-GEWERKSCHAFTSSEKRETÄR
Zwischen Arbeit und Kapital
SÜDDEUTSCHE ZEITUNG, 31. Oktober 2013
Wir wollen echte Mitbestimmung. Seit Norbert Blüm in den Achtzigerjahren Arbeitsminister war, ist den Arbeitnehmern immer mehr genommen worden. Seitdem werden Schutzrechte auf breiter Front ausgehöhlt, die Tarifautonomie in ihrer Gestaltungskraft geschwächt und der Niedriglohnsektor millionenfach ausgeweitet. Nun brauchen wir eine neue Sicherheitsarchitektur für gute Arbeit. Wir brauchen Mindestlohn und Allgemeinverbindlichkeit, Mitbestimmung und eine Sicherung der Tarifautonomie. Wenn diese Ordnung der Arbeit steht, dann können wir, Gewerkschaften und Arbeitgeber, uns auf die Auseinandersetzung zwischen Arbeit und Kapital konzentrieren - ohne ständig auf die Politik zu schielen.
Michael Sommer, DGB-VORSITZENDER
Tiefe Krise
FRANKFURTER RUNDSCHAU, 31. Oktober 2013
Sonntagsredner preisen die im Grundgesetz verankerte Tarifautonomie, also die freie Gestaltung der Arbeits- und Einkommensbedingungen durch Gewerkschaften und Arbeitgeberverbände, gern. Aber dass deren praktische Bedeutung laufend zurückgeht, wird in der politischen Öffentlichkeit oft ausgeblendet. Das deutsche System der Tarifpolitik, das vor allem von seinen regionalen oder bundesweit geltenden Branchentarifverträgen ("Flächentarifverträge") geprägt ist, steckt in einer tiefen Krise. Der Anteil der Beschäftigten, die nach Tarifvertrag bezahlt werden, sinkt seit zwei Jahrzehnten. Ende der 1990er Jahre galten in Westdeutschland immerhin noch für 76 Prozent der Beschäftigten Branchen- oder Firmentarifverträge, 2012 waren es nur noch 60 Prozent. In Ostdeutschland gingen die Werte von 63 auf 48 Prozent zurück.
Sagen, was Sache ist
SÜDDEUTSCHE ZEITUNG, 21. Oktober 2013
Worin besteht eigentlich die Macht der Gewerkschaften? In der Tarifpolitik besteht sie zweifelsohne im Streikrecht. [...] Die Gewerkschaftssekretäre können für ein Ja zum Streik werben, aber sie haben intern keinerlei Druckmittel [...] Auch bei allen anderen Aktivitäten kann eine Gewerkschaft nichts anordnen, nichts mit Gewalt durchsetzen. Sie muss immer mit Argumenten für ihre Anliegen streiten. [...] Am deutlichsten wird dies in Aufsichtsräten. [...] Früher war der Umgang mit diesen Leuten einfacher. Da kreuzte einmal im Vierteljahr der Gewerkschafter auf, schimpfte darüber, dass im Werk A Kurzarbeit ist, während im Werk B Überstunden gefahren werden, ließ wissen, dass eigentlich der Sozialismus die gerechtere Gesellschaftsordnung ist und hielt sich ansonsten aus allem raus. Diesen Gewerkschaftssekretär konnte der Unternehmensvorstand ganz gut ertragen. Heute trifft er auf einen Typus, der ihm vorhält, dass der Cashflow des Unternehmens miserabel ist, dass eine geplante Investition strategisch unklug und der Vertrieb in Südostasien unter aller Sau ist. Das haben Vertreter der Anteilseigner schon genauso gesehen, aber nicht gesagt, [...] Man ist ja vornehm! Gewerkschafter sind in diesen Dingen nicht vornehm, sondern sagen, was Sache ist. Und was ist, wenn sie obendrein auch noch recht haben? Dann gerät der Unternehmensvorstand in Argumentationsnöte.