Workers | Tijuana in Mexiko, eine verrufene Stadt an der Grenze zu den Vereinigten Staaten. In US-Movies stehen gerne Drogen- oder Menschenschmuggler im Stau am Grenzübergang. Im Kinoerstling des mexikanischen Dokumentarfilmers José Luis Valle tritt stattdessen ein Palmenpark auf. Hier verbringt der Putzmann der Philips-Glühbirnenfabrik den Feierabend. Doch nach 30 Jahren Wischen und Fegen wird er vom Fabrikleiter um die Pension geprellt, mit der Begründung, er sei ein illegaler Einwanderer aus El Salvador. Regisseur Valle, ebenfalls aus Zentralamerika, benutzt ästhetisch inszenierte, dabei dokumentarisch lange Aufnahmen des Straßentreibens. Am reichen Ende von Tijuana zeigt er eine Hausangestellte. Sie schuftet für eine verwöhnte Windhündin, Haupterbin der verrückten toten Señora. Erst wenn der Hund stirbt, dürfen die Dienstboten erben. Putzmann und Windhundangestellte arbeiten sodann an ihren Racheplänen, als doch nicht so unterlegene Untergebene. Selten war Sozialkritik schöner, stiller und schräger.Jutta Vahrson

MX/D 2013. R: JOSÉ LUIS VALLE. D: JESÚS PADILLA, SUSANA SALAZAR, BÁRBARA PERRIN RIVEMAR, SERGIO LIMÓN, 120 MIN., KINOSTART: 12.12.13


Bethlehem | Weder drei Könige noch ein Ställchen. Gut zwei Jahrtausende nach der schlichten Geburt eines Religionsgründers gehört Bethlehem zum palästinensischen Autonomiegebiet. In diesem Männermelodram bespitzeln sich Geheimdienstler aus Jerusalem und palästinensische Märtyrerbrigaden im benachbarten Bethlehem. Laiendarsteller aus der Region sollen das Dilemma befreundeter Feinde authentisch halten. Vor Jahren hat der israelische Agent Razi einen Teenie in Bethlehem angeworben. Für den väterlichen Razi bespitzelt Informant Sanfur seinen eigenen großen Bruder, einen Bombenattentäter. Der verwirrte, aufbrausende 17-Jährige muss also auch seinen Vater, dessen Verbündete und die Autonomiebehörde belügen. Um nicht als Verräter aufzufliegen, betrügt Sanfur schließlich alle. Der israelische Regisseur Yuval Adler, und früher Soldat beim Nachrichtendienst, schrieb das Drehbuch gemeinsam mit dem palästinensischen Autor Ali Waked. Bethlehem ist Israels Oscarhoffnung. Jutta Vahrson

IL/BE/D 2013. R: YUVAL ADLER. D: TSAHI HALEVY, SHADI MAR’I, HITHAM OMARI, GEORGE ISANDAR, 96 MIN., KINOSTART: 9.1.14


Only Lovers Left Alive | Von wegen Vampire sind gefährlich: In diesem Film verzweifeln sie vielmehr an den Menschen, die mit ihrem Egoismus ihre Umwelt zerstört haben und nun als Zombies durch ein untergehendes Universum geistern. Vor allem Adam hat seine Einsamkeit im herunter gekommenen Detroit schon ganz trübsinnig gemacht, aber als seine Liebste aus Tanger zu ihm reist, rafft er sich noch einmal auf, unter schwierigen Bedingungen unkontaminiertes Blut zu besorgen. Die verletzlichen Bohémiens zehren allerdings nicht allzu lange von ihrem mühsam ergatterten Lebenssaft. Denn den begehrt auch Eves hungrige, aufdringliche Schwester, die das Paar mit ihrem unerwünschten Besuch in große Not bringt. Mit nostalgischer Poesie und dem für ihn typisch lakonischen Witz schwelgt Altmeister Jarmusch in einer scheinbar vergangenen Kultur. Sie findet ihren Ausdruck in zahlreichen literarischen Zitaten, schicken Oldtimern, antiquarischen Platten und Instrumenten. Mit genialen Nacht-Aufnahmen vom maroden Detroit, orientalisch-marokkanischem Flair und stimmungsvoller Musik ist dies zugleich große Filmkunst. Kirsten Liese

USA 2013. REGIE: JIM JARMUSCH. D: TILDA SWINTON, TOM HIDDLESTON, JOHN HURT, MIA WASIKOWSKA U.A.