Artikel "Der Mindestlohn wird kommen", ver.di PUBLIK 08_2013

Kommen wird er in der Tat, der Mindestlohn: ab 2015 mit zahlreichen Einschränkungen und uneingeschränkt erst ab 1.1.2017, rechtzeitig zu Beginn der nächsten Legislaturperiode. Berücksichtigen wir eine wahrscheinliche Inflationsrate von etwas unter zwei Prozent, eine Produktivitätsentwicklung von ca. zwei Prozent, dann schrumpfen die 8,50 € auf zwischen 7,50 € und 7,80 €. Vergessen wir nicht: Die Einführung des Mindestlohnes ist längst gesellschaftlicher Konsens, der auch in der CDU schon lange vor den Koalitionsverhandlungen akzeptiert war. Und das ist dann der gefeierte Durchbruch? Wow!!! Sicherlich ist ein Koalitionsvertrag ein Kompromiss, bei dem beide Seiten nicht alles durchsetzen können. Aber muss ver.di publik, muss der ver.di-Bundesvorstand dieses Papier wirklich dermaßen unkritisch, großekoalitionswillfährig bejubeln? Ich wünsche mir sehr, dass die bislang doch immer recht anspruchsvolle, von mir gerne gelesene ver.di publik und auch ver.di selbst nicht zum SPD-Claquers-Verein mutieren. Dafür möchte ich meine Beiträge eigentlich nicht ausgeben.

Karl Ischinger, München

Ich bin entrüstet und empört über die positiven Reaktionen führender Gewerkschafter auf den Koalitionsvertrag. Der Mindestlohn soll komplett erst 2017 kommen, damit er dann von der neuen Bundesregierung sofort wieder abgeschafft werden kann. Und was ist denn vom Politikwechsel, den Gewerkschaften und SPD wollten, noch geblieben?

Man wollte eine gerechtere Gesellschaft! Die Steuerschlupflöcher der Konzerne stopfen! Die Superreichen besteuern! Das Zocken mit dem unvorstellbaren Finanzkapital verbieten! Ich höre die Kollegen und Genossen noch alle auf der Demo "Umfairteilen" in Bochum ihre großen Reden schwingen. Aber was stört mich mein Geschwätz von gestern. Ich bin 50 Jahre Gewerkschaftsmitglied und rufe alle Kolleginnen und Kollegen zum Widerstand gegen diese Regierung auf!

Werner Montel, Hattingen

In Ihrem Beitrag erwähnen Sie, dass Frank Bsirske die Möglichkeit begrüßte, mit 45 Beitragsjahren im Alter von 63 Jahren abschlagsfrei in Rente gehe zu können. Sie vergaßen zu erwähnen, dass davon fast ausschließlich Männer betroffen sind. In der Generation der Menschen, die in diesen Genuss kommen, waren fast alle Frauen, die vor Mai 1979 Kinder bekamen, damals nach acht Wochen Mutterschutz ohne die Möglichkeit des anschließenden Erziehungsurlaubs gezwungen, ihre Anstellung zu kündigen, da Kinderkrippen in Westdeutschland noch kein politisches Ansinnen waren. Blieb man also zum Zwecke der Kindererziehung zuhause, um Nachwuchs zu betreuen, die die heutigen Renten finanzieren, und konnte nicht am Arbeitsleben teilhaben, fehlen diese Zeiten heute (...) bei den 45 Beitragsjahren. Bei einem fiktiven Eintrittsalter von 17 Jahren genügt bereits ein Jahr Erziehungszeit, um es unmöglich zu machen, an dieser "Verbesserung" teilzuhaben.

Ruth Wachinger, Dasing


Artikel "Überleben nur mit Nahrungsmittelbons", ver.di PUBLIK 08_2013

Kollege Werner Rügemer hat es auf den Punkt gebracht, dass in Amerika viele nur noch überleben können, wenn sie zusätzlich zu ihrem Arbeitseinkommen noch die Hilfe des Staates bekommen. Die genannten 5 800 Dollar im Jahr kommen den Harz IV-Sätzen sehr nahe. Diese Entwicklung setzt sich leider immer mehr in Europa und Deutschland fort. Interessant ist auch, dass die Gewinner aus diesem System von den Medien noch als Wohltäter hochstilisiert werden, wenn sie Spenden an diese oder jene Stelle geben. Ich persönlich finde, dies setzt der Situation die Krone auf. Ich frage mich, warum wir immer die unbefriedigenden Umstände beklagen und nicht die Ursachen, die dazu führen!

Herbert Seisenberger, per E-Mail

Danke für diesen aufschlussreichen sowie erschütternden Beitrag. Hier wird am Beispiel des größten Arbeitgebers der USA, der Einzelhandelskette Wal Mart, deutlich, was kapitalistische Ausbeutung real heißt. Da machen sechs Erben der Eigentümerfamilie Walton allein 2012 Gewinne von 17 Milliarden Dollar und besitzen nun 89 Milliarden Dollar. Man fragt sich, wie geht so was? Ganz einfach: keine Tarifverträge, keine Gewerkschaften, kaum Krankenversicherung, Teilzeitjobs, unwürdige Arbeitsbedingungen, Produktion in Bangladesch usw.. Die Frage nach einer sozial gerechten Gesellschaft sollte mehr und mehr im Mittelpunkt gewerkschaftlichen Wirkens weltweit stehen.

Helmar Kolbe, Berlin


Artikel "Schwimmen fällt ins Wasser", ver.di PUBLIK 08_2013

In deutschen Schwimmbädern gibt es viele Missstände: Rettungsschwimmer nehmen Schwimmmeistern (offizielle Bezeichnung Meister für Bäderbetriebe, d. Red.) die Arbeit weg. Schwimmmeister wollen arbeiten, werden aber von untätigen Politikern an der Arbeitsaufnahme gehindert. Private Schwimmbadbetreiber ohne fachliche Eignung öffnen Schwimmbäder. Wenn es dabei zu vermeidbaren Todesfällen kommt, ändert das nichts. Alles bleibt beim Alten. Es ist nicht nur wichtig, dass ein Schwimmmeister ständig persönlich im Bad ist, um die Verkehrssicherungspflicht optimal zu gewährleisten. In vielen Schwimmbädern reicht ein Schwimmmeister nicht. Deshalb sollten ergänzend weitere Schwimmmeister oder Rettungsschwimmer bereitstehen. Im Schwimmbad geht es wie im Straßenverkehr um Menschenleben, aber im Straßenverkehr würde es niemand dem Zufall überlassen, ob jemand einen Führerschein hat oder nicht.

Reiner Kohns, per E-Mail


Artikel zu EU und Freihandelsabkommen, ver.di PUBLIK 08_2013

Was Sie berichten, lässt das Schlimmste befürchten. Neben vielen anderen Problemen, die wir haben, muss das Freihandelsabkommen unbedingt verhindert werden, weil ausschließlich Großkonzerne davon profitieren - und alle anderen bezahlen müssen. Die Unternehmen könnten gegen jedes, aus ihrer Sicht ihrem Gewinnstreben entgegenstehende Gesetz und gegen soziale und Umwelt-Standards klagen. Die Verhandlungen finden im Geheimen statt - das allein sagt doch alles, die Öffentlichkeit und auch EU-Institutionen wie das EU-Parlament werden vor vollendete Tatsachen gestellt. Das kann doch nicht sein. Machen Sie öffentlich, was uns da droht! Falls ein derartiges Abkommen Realität würde, könnten wir nur noch hilflos massiv steigenden Steuern - zur Bezahlung von Strafen - entgegensiechen, bei gleichzeitiger Verödung und Verarmung, da kein Geld mehr für Soziales oder das Gesundheitssystem zum Beispiel da wäre. Und die öffentlich angekündigten Arbeitsplätze wären allenfalls Sklaven-Arbeitsplätze.

Hermann Weber, Mötzingen


Artikel "Rettet die Bibliotheken", ver.di PUBLIK 07_2013; Antworten auf den Leserbrief von Sebastian Pampuch, ver.di publik 08_2013

Wenn ich mir den Leserbrief des Kollegen Pampuch in der Publik 8/2013 durchlese, stellt sich mir die Frage, warum der Kollege nicht gleich noch einen Schritt weitergeht? Öffnen wir doch sonntags alle Geschäfte, Behörden etc. und lassen gleich alle Menschen arbeiten. Aber hoppala, dann ist der Sonntag ja nicht mehr der Tag, an dem viele Menschen Zeit hätten, die Bibliothek zu besuchen, weil sie dann ja auch arbeiten müssten. Und hier beginnt sich die Argumentation des Kollegen Pampuch im Kreis zu drehen: Wer bestimmt denn, wer am Sonntag arbeiten muss und wer frei haben darf, um dann die Angebote nutzen zu können, die die arbeitenden Kolleginnen und Kollegen anbieten? Und hier geht es nicht um die wirklich notwendigen Dienste von ärztlichem und pflegerischem Personal, von Feuerwehr, Polizei und anderen für die Aufrechterhaltung des öffentlichen Lebens notwendigen Einrichtungen.

Die "Sonntagsruhe" ist ein lange erkämpftes Gut, das in der neoliberalen Zeit immer weiter aufgeweicht wurde. Wir sollten uns alle fragen, ob wir diese Errungenschaft als Gewerkschafter für ein bequemes "Mal-eben-schnell-sonntags-in-die-Bibliothek-gehen" aufgeben wollen. Dies vor allem vor dem Hintergrund, dass die Bibliotheken aufgrund von Etatkürzungen häufig nicht einmal mehr die bisherigen Öffnungszeiten aufrecht erhalten können, Stadtteilbibliotheken schließen müssen und die Bestände veralten, weil nicht mehr genug Mittel vorhanden sind.

Anke Schmeier, Trier

Natürlich am Sonntag - wann sonst sollte ein arbeitsfreier Tag für möglichst viele Arbeitnehmer in der Republik sein? Nicht nur der Kollege Pampuch, sondern immer mehr Menschen in diesem Land, haben vergessen, wofür Gewerkschaften und viele andere über Jahrzehnte in diesem Land gekämpft haben, nämlich für ein langes arbeitsfreies Wochenende über zwei Tage, welches ausschließlich für die Familie und die Erholung da sein sollte. Und dies war kein dummes und dem Fortschritt hinderliches Ziel, denn mit dessen allmählicher Umsetzung ging es dem Land und den Menschen immer besser. Dass dies für einen Teil der Gesellschaft (Krankenhäuser, Feuerwehr etc.) nie gegolten hat, ist sehr bedauerlich, aber unvermeidbar. Hochschulbibliotheken haben in Deutschland schon seit einiger Zeit extrem lange Öffnungszeiten, auch am Sonntag. Als die Universitätsbibliothek in Würzburg, für die ich 44 Jahre gearbeitet habe, am Sonntag geöffnet hat, sind eine ganze Reihe von Studenten zu mir gekommen und haben sinngemäß das Folgende geäußert: "Jetzt muss ich tatsächlich auch noch am Sonntag büffeln gehen, um mit den anderen mithalten zu können, keine Ausrede mehr für wenigstens einen stressfreien Tag in der Woche." Wir tun uns und den Menschen nichts Gutes, wenn wir alles, was möglich oder wünschenswert erscheint, auch tatsächlich umsetzen. Es gibt vieles, was an bundesdeutschen Bibliotheken, egal ob öffentlich oder wissenschaftlich, verbessert werden sollte, auch so manche Öffnungszeit unter der Woche, aber entscheidend bleibt immer noch die optimale Menge an modernen Medien und deren schnelle Verfügbarkeit für die Qualität.

Peter Mitnacht, per E-Mail

Beim Thema Sonntagsöffnung schlagen die Emotionen hoch. Einerseits die vermeintlich kundenorientierte Seite, die auf die jahrelange Praxis der wissenschaftlichen Bibliotheken verweist, andererseits die Beschäftigten, denen vorgehalten wird, dass sie vor allem an Besitzstandswahrung interessiert seien. Wenn man die Situation der öffentlichen Bibliotheken betrachtet, so fällt doch auf, dass die meisten dieser Bibliotheken schon heute einen regulären Wochentag, meist am Montag, geschlossen sind. Ginge es nur um die Erweiterung der Öffnungszeiten, läge hier ein großes Potential. Einer Öffnung am Montag stünde nichts entgegen und käme einer der Hauptzielgruppen entgegen: den Schülerinnen und Schülern.

Marianne Fix, Offenau


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