DIE WELT, 16. JANUAR 2014

In Deutschland wird viel über Lobbyisten und Interessenvertreter diskutiert und zuweilen auch lamentiert. Deutschlands mächtigste Lobby taucht in diesen Diskussionen gar nicht auf: die Lobby der Arbeitnehmer, die Gewerkschaften. Es gehört zur Kunst einer erfolgreichen Lobby, das Wohl des eigenen Klientels als Allgemeinwohl zu verkaufen. Die Gewerkschaften beherrschen diese Kunst seit Langem: Wenn sie in den Verteilungskampf ziehen, dann geht es nicht nur profan um Lohnerhöhungen für ihre Klientel, nein, Lohnforderungen werden im Tarifstreit gleich als Projekt der sozialen Gerechtigkeit und als segensreiches Programm zur Ankurbelung des Konsums und der Binnenkonjunktur überhöht. Dabei geht es doch nur ums Geld.


Eine durchaus reale Bedrohung

NEUES DEUTSCHLAND, 6. JANUAR 2014

Kollegen, die sich bei Tarifkämpfen heraushalten, gibt es in jedem Betrieb. Ebenso Kollegen, die sich bei den Chefs Liebkind machen oder den Betriebsratschef nicht leiden können. Es gibt viele Gründe dafür, dass Streiks nie von allen unterstützt werden. Beim Versandhändler Amazon bleibt es aber nicht bei stiller Verweigerung: Rund 1000 Mitarbeiter sollen einen Aufruf gegen die Gewerkschaft unterschrieben haben. Auch eine Art Flash-Mob-Aktion mit "Pro-Amazon"-T-Shirts ist geplant. Kaum vorstellbar, dass dies spontan von unten entstanden ist und die Chefs nicht genau beäugen, wer unterschreibt und wer nicht. Auch wenn die Amazon-Führung den Zusammenhang leugnet - der Streik hatte bereits Erfolge: die Übernahme von 1300 Saisonkräften und das erstmals gezahlte Weihnachtsgeld. Dass so viele unterschrieben haben, hat sich ver.di aber zum Teil auch selbst zuzuschreiben: Bisweilen entstand der Eindruck, als gehe es weniger um Lohnforderungen als um eine Kampagne gegen einen bösen US-amerikanischen Großkonzern. Das sichert zwar Unterstützung aus der Politik, aber es wäre keine Überraschung, wenn dies nicht wenige Beschäftigte ablehnen.


Altersweise?

SPIEGEL ONLINE, 15. JANUAR 2014

Früher rangelten Haudegen wie der IG-Metall-Boss Jürgen Peters oder der Ver.di-Vorsitzende Frank Bsirske miteinander darum, wer die Arbeitgeber am originellsten beleidigt. Doch Peters ist längst im Ruhestand, und Bsirske wirkt zunehmend altersweise, ein Veteran, der sich im Aufsichtsrat der Deutschen Bank mittlerweile wohler fühlt als an den Rednerpulten der Streikfronten.