Beltracchi - Die Kunst der Fälschung - "In dem Fall hätte ich mir die Anwendung der Scharia gewünscht." Jener Fall, der dem deutschen Auktionator Hendrik Hanstein auch heute noch die Wut ins Gesicht treibt, ist wirklich spektakulär. 30 Jahre lang hat Wolfgang Beltracchi Bilder großer Meister der sogenannten klassischen Moderne gefälscht. Er hat sie mit Hilfe seiner Frau und einem weiteren Komplizen in den bekanntesten Kunstauktionshäusern der Welt unter den Hammer gebracht oder an namhafte, international agierende Galerien verkauft - und hat damit ein Vermögen verdient. Das teuerste Gemälde des deutsch-niederländischen Malers Heinrich Campendonk, das jemals auf dem Kunstmarkt verkauft wurde - es ist tatsächlich ein Beltracchi.

Der Dokumentarfilm Beltracchi - Die Kunst der Fälschung, der jetzt anlässlich Beltracchis bevorstehender Freilassung aus dem Gefängnis angelaufen ist, kommt eher ruhig und unspektakulär daher. Aber gerade in dieser scheinbaren Beiläufigkeit, in der der Film den Lebenslauf Beltracchis, sein Handwerk des Fälschens und die betrogene Kunstwelt zu Bildern macht, schwingt eine Spannung mit derselben Mächtigkeit, mit der der Künstler seine Pinsel über eine Leinwand streicht oder sie im Stile Max Ernsts mit dem Spachtel oder Messer malträtiert. Denn ein Künstler ist Beltracchi in jedem Fall, auch wenn sich die Geister der Kunstwelt daran scheiden, ob seine Kunst nur vom Können oder auch von so etwas wie Erfindung kommt.

Einige derjenigen, die statt eines Campendonks, Ernsts oder Pechsteins einen Beltracchi erwarben, können ihre Bewunderung kaum verbergen, geben sie sich ansonsten auch als Kunstkenner/innen. Beltracchi sei nichts weiter als ein Nestbeschmutzer. Dabei ist dieser vielleicht nur einer unter anderen. Denn gerade diejenigen, die sich auf dem Kunstmarkt als unersättlich nach den Klassikern zeigen, für die sie teils Millionen hinblättern, befeuern mit ihren Wünschen die Kunst und das Können der Fälscher. Anstatt in die zeitgenössische Kunst zu investieren und am Existenzminimum lebende Künstler/innen mit ihrem Geld zu fördern, sitzen noch immer über 200 Käufer/innen der Macht eines Beltracchis auf. Denn nur ein Bruchteil seiner angeblich rund 300 Fälschungen konnten aufgedeckt werden - so gut gemacht sind sie. Beltracchi ist und bleibt ein Lehrstück der Kunstgeschichte. Prädikat: in diesem Fall besonders sehenswert. Petra Welzel

DEUTSCHLAND 2014, R.: ARNE BIRKENSTOCK, 96 MIN., KINOSTART: 6.3.14


Spuren - Selbstzweifel in den Siebzigern. Die junge Australierin Robyn Davidson steckt in der Sinnkrise. Um in Ruhe ihren eigenen Weg zu suchen, sehnt sie sich nach einer Wanderung von Alice Springs bis zum Indischen Ozean, 2 700 Kilometer quer durch die Wüste. Kein Konsum, kein Geschnatter, keine Duschen, keine Kompromisse. Ihre Ausrüstung sollen ein paar der verwilderten Kamele tragen, die sich im Outback tummeln. Doch muss man die erst fangen und zähmen. Oder in der dumpfen Hitze suchen gehen, wenn sie ausgebüxt sind. Wegen dieser Gepäckträger für ihren Traumtrip wird die eigenwillige Robyn zum Lehrling bei zwei Kameltrainern; die Vorbereitungen dauern Jahre. Als es endlich so weit ist, taucht ein Fotograf des National Geographic auf, für den sie posieren soll. Es entstehen ein Artikel und 1980 ihre (extrem ehrlichen) Reisememoiren, die Robyn Davidson zur Ikone für Selbstbestimmtheit und Durchhaltewillen machen. Denn auch durch die grandiose Verfilmung mit der ebenbürtig bockigen Mia Wasikowska hallt der Zeitgeist des "Alten Australiens": Sexismus, Rassismus und Känguru zum Frühstück.Jutta Vahrson

AUSTRALIEN 2013. R: JOHN CURRAN. D: MIA WASIKOWSKA, ADAM DRIVER, JOHN FLAUS, 112 MIN., KINOSTART: 10.4.14


In Sarmatien - Zwischen der Ostsee im Norden, dem schwarzen Meer im Süden, den Flüssen Weichsel im Westen und Wolga im Osten lag Sarmatien. So hieß der Landstrich in der Antike. Heute liegen dort Staaten wie die Ukraine, Litauen, Weißrussland und Moldawien. In seinem neuen Dokumentarfilm bereist Volker Koepp ein Gebiet, das er schon einmal 1972 besuchte: mit der Kamera auf den Spuren des Dichters Johannes Bobrowski. Ob Ukrainer, Moldawier, Litauer oder Russen, sie alle können sich ein Leben jenseits ihrer Heimat kaum vorstellen, leiden aber unter Armut und Angst. Ein Familienvater ist in Czernowitz geblieben, obwohl er eines einzigen gestohlenen Getreidesacks wegen fünf Jahre im Gefängnis saß. Die meisten Jungen aber ziehen schweren Herzens in den Westen. Viele Dörfer wirken schon wie ausgestorben, Traditionen sind dem kapitalistischen Markt zum Opfer gefallen. Spuren von Verfall spiegeln sich auch in den kargen Landschaften, deren Ursprünglichkeit der Film mit Bildern von großer Poesie würdigt. Am Ende, in Kaliningrad, verströmen die Bilder gar Optimismus, weil nicht alle jungen Menschen gehen. Kirsten Liese

DEUTSCHLAND 2013, R: V. KOEPP, 129 MIN., KINOSTART: 20.3.14.