Sie sind die Säulen der Pressefreiheit, garantieren das in Artikel 5 des Grundgesetzes verbriefte Recht auf freie Meinungsäußerung: die Zeitungszustellerinnen und -zusteller. Doch an ihrer Bezahlung merken sie nicht, welch große Bedeutung der Bundesverband Deutscher Zeitungsverleger (BDZV) ihrer Tätigkeit beimisst. Teilweise sind sie für 3,50 Euro pro Stunde bei Wind und Wetter unterwegs, damit die Tageszeitung morgens früh im Briefkasten steckt.

Der BDZV selbst hat einen Durchschnittslohn von 6,50 Euro pro Stunde ausgerechnet - und begründet damit, warum die Branche unbedingt von einem allgemeinen gesetzlichen Mindestlohn ausgenommen werden muss. Denn der würde die Verleger nach eigenen Angaben zusätzlich mindestens 225 Millionen Euro jährlich kosten. 16.000 Jobs von Zustellerinnen und Zustellern sehen sie gefährdet: "Besonders betroffen hiervon wären die ohnehin strukturschwachen Gebiete im ländlichen Raum, in dem oft auch keine ausreichende Netzabdeckung für elektronische Datendienste vorhanden ist", heißt es nach einem Bericht der Frankfurter Rundschau in einer Stellungnahme des BDZV.

Ein starkes Stück

Gestärkt sehen sich die Verleger durch ein Gutachten des ehemaligen Bundesverfassungsrichters Udo Di Fabio. Darin heißt es: "Der Mindestlohn greift in die Pressefreiheit ein." "Mit der Pressefreiheit zu argumentieren, ist schon ein starkes Stück und reine Panikmache der Zeitungsverleger", hält der stellvertretende ver.di-Vorsitzende Frank Werneke dem BDZV entgegen. Geschäftsmodelle, die auf Lohndumping beruhen, seien schlichtweg inakzeptabel. Frank Werneke sieht in der Argumentation der Arbeitgeber keinen nachvollziehbaren Grund, warum einige Verleger ihre Zusteller/innen weiterhin mit einem Billiglohn auf die Straße schicken dürfen sollten.

Am 2. April will Bundesarbeitsministerin Andrea Nahles, SPD, ihren Gesetzentwurf zum Mindestlohn im Kabinett vorlegen. Sonderregelungen für bestimmte Wirtschaftszweige soll es nicht geben, kündigte sie an. Dafür aber mindestens 8,50 Euro pro Stunde für alle.

Diesen Betrag hält der ver.di-Vorsitzende Frank Bsirske schon jetzt für nicht mehr zeitgemäß. Er schlägt vor, ihn direkt nach Inkrafttreten des gesetzlichen Mindestlohns im Jahr 2015 zum ersten Mal anzupassen. Dann soll der Lohn schnell auf 10 Euro pro Stunde steigen. Damit würde Deutschland im Vergleich mit anderen westeuropäischen Staaten im Mittelfeld liegen. Und die Pressefreiheit ist in den Ländern, die schon seit Jahren einen gesetzlichen Mindestlohn haben, nicht in Gefahr geraten - jedenfalls nicht wegen des Mindestlohns.

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