Ausgabe 02/2014
Musik
Johnny Cash: Out Among The Stars Schlimmstes war zu befürchten. Ein neues Album von Johnny Cash? Elf Jahre nach seinem Tod? Aber der Country- Legende bleibt die Leichenfledderei, die sich Jimi Hendrix oder Tupac Shakur gefallen haben lassen müssen, zumindest vorläufig noch erspart. Out Among The Stars ist zwar bereits Cashs drittes posthumes Album, aber wieder wird nicht bloß bedeutungsloser Session-Abfall, aufgemotzt, sondern Material zugänglich gemacht, das tatsächlich zur Veröffentlichung bestimmt war. Diesmal stammt es von 1980 und war von der Plattenfirma weggesperrt worden, bevor es erst 2012 wiedergefunden wurde. Die Aufnahmen sind lange nicht so karg und altersweise, wie man es seit dem großen Comeback unter der Regie von Produzent Rick Rubin kennt, aber wir treffen hier auch nicht den jungen Rebellen wieder. Stattdessen ist Cash, seine Stimme noch stabil, sehr zuhause in seinem selbstgewissen Timbre, während die Band entspannt dahintrabt. Out Among The Stars ist kein Meilenstein, ohne den seine Karriere nicht komplett wäre, aber es zeigt den Monolithen Johnny Cash noch einmal in Saft und Kraft. Thomas Winkler
CD, COLUMBIA/SONY
Miss Platnum: Glück und Benzin - Ein Neuanfang ist immer auch ein Risiko. Vor allem, wenn die Neuorientierung mitten in einer erfolgreichen Karriere geschieht. Ruth Renner hat sich unter dem Pseudonym Miss Platnum in den vergangenen Jahren als schwergewichtige Soul-Diva zwischen modischem R&B und Weltmusik etabliert und feierte 2012 mit Lila Wolken, einer Kooperation mit Marteria und Yasha, ihren ersten Nummer-Eins-Hit. Mit Glück und Benzin verändert die Berlinerin, die aus Rumänien stammt und als Solistin bislang Englisch gesungen hat, ihr Profil radikal: Die Texte ihres vierten Albums sind komplett deutsch. Nun ist leichter zu verstehen, welchen Themen sich Platnum mit ihrer oktavenreichen, ausdrucksvollen Stimme widmet. Über schicken Beats und orientalischen Harmonien, knarzenden Beats und bei Bedarf auch mal schmalzigen Synthieflächen singt sie von schwerer Kindheit, untreuen Männern und enttäuschter Liebe. Die deutsche Ausgabe ihres Vorbilds Aretha Franklin ist sie damit trotzdem nicht. Stattdessen hat Miss Platnum dank Neuanfang eine neue Nische bezogen, die ihr ganz allein gehört. Thomas Winkler
CD, FOUR MUSIC/SONY
Etienne Mbappe: Pater Noster - Was macht diesen Bassisten und Sänger aus Kamerun so besonders, dass er schon in Diensten von Prominenten wie Joe Zawinul, John McLaughlin und Ray Charles stand? Etienne Mbappes Reputation beruht auf seinem Talent, locker Genregrenzen zu überspringen, ohne dabei seine afrikanischen Wurzeln zu verleugnen. Eine Gabe, die von etlichen seiner afrikanischen Musiker-Kollegen geschätzt wird und die vor allem Mbappes eigene Musik so unverwechselbar macht. Pater Noster heißt die neue CD des mit vielen Talenten gesegneten Musikers. Der Kameruner mit Wohnsitz in Paris bedient sich hier aus einer reichhaltigen musikalischen Palette: Pop, Rock, Jazz, Funk, gefühlvolle Balladen und natürlich African Roots. Und Mbappe weiß in seinen Texten, die er in der in der vokalreichen Bantu-Sprache Douala verfasst, wovon er spricht. Denn er kennt beide Seiten der Migration: hier die Perspektive eines besseren Lebens in Freiheit und Wohlstand und dort der Schmerz über den Verlust der Heimat. Mit seiner Musik aber widersteht Mbappe dem Sog jedweder Verzagtheit. Und das Schöne daran ist, dass er seine Hörer daran teilhaben lässt. Peter Rixen
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