Wie sind die denn drauf?

Wir sind die Neuen - Anne, Eddi und Johannes geht es wie Millionen Rentnern: Sie fühlen sich mit Anfang 60 noch jung, aber ein bisschen einsam, und weil sie nie viel verdient haben, können sie die hohen Mieten nicht mehr zahlen. Ihr Idealismus bedeutete ihnen stets mehr als das Geld, weshalb der Jurist Johannes Mandanten bevorzugte, die sich einen Anwalt eigentlich gar nicht leisten konnten, Eddi mit seiner Kapitalismuskritik nie hinterm Berg hielt, und die Biologin Anne sich für den Schutz von Schleiereulen stark machte.

Ein Lamento über soziale Ungerechtigkeit und Altersarmut liegt Ralf Westhoff jedoch fern. Seine intelligente Komödie über Lebensträume und -wirklichkeiten entwirft vielmehr Visionen, die gar nicht so abwegig sind, wie sie vielleicht auf den ersten Blick scheinen. Die sympathischen Filmhelden lassen sich jedenfalls nicht so leicht unterkriegen, gründen ihre alte Studenten-WG einfach neu. Bis spät nachts um den Küchentisch herumsitzen, Wein trinken, über Gott und die Welt philosophieren und dabei die ehemaligen Hits hören: Das wär's doch! Nur haben sie die Rechnung ohne ihre neue Hausgemeinschaft gemacht. Über ihnen wohnen verwöhnte, garstige Studenten von heute. Sie büffeln emsig für ihr Examen, wünschen keinen Kontakt und leiden unter den hellhörigen Wänden, sodass sie sich schon gestört fühlen, wenn ihre neuen Nachbarn in Zimmerlautstärke reden.

Zum Glück lassen sich die Ruheständler nicht einschüchtern, stellt es sich doch heraus, dass die selbstbewusste Generation Laptop mit ihrer schnippischen Coolness nur Ängste und Unsicherheit überspielt. Als auch noch gesundheitliche Probleme dazukommen, tun sich die Ehrgeizlinge mit ihren Gehässigkeiten deutlich schwerer. Die angebotene Hilfe der belächelten Achtundsechziger kommt da nicht ungelegen.

Mit einem liebevoll entlarvenden Blick auf die Schwächen und Neurosen seiner Figuren lässt Westhoff die Ideale der 70er-Jahre-Studenten mit der Wirklichkeit von heute zusammenprallen. Herrlich streiten die Generationen über Karriere, Geld und Sicherheit, kurz: darüber, was das Leben ausmacht. Die Alten müssen sich fragen lassen, ob man wirklich die Zeit zurückdrehen kann, die Jungen müssen ihre Werte überdenken.

Wir sind die Neuen besitzt bei alledem alles, was eine intelligente Komödie ausmacht: Gesellschaftskritik, satirischen Biss, treffsichere Pointen, köstliche Gags und wunderbare Schauspieler! In der vielleicht skurrilsten Szene erklärt ein junger Mann, was ihn antreibt, seinen Herd zu fotografieren... Kirsten Liese

D 2014. R: Ralf Westhoff. D: Gisela Schneeberger, Heiner Lauterbach, Michael Wittenborn, Claudia Eisinger, Karoline Schuch, u.a., 91 Min., Kinostart: 17. Juli 2014


Dido Elisabeth Belle - Roter Faden dieses Films ist das reale Gemälde von Dido Elizabeth Belle aus dem Jahr 1779, der ersten Adligen Englands, die illegale Tochter eines Seeadmirals und einer von ihm geretteten Sklavin war. Wie ihre arme, aber schneeweiße Cousine wuchs Erbin Belle bei ihrem Großonkel auf, dem obersten Richter des Landes. Laut Filmversion lässt er die dunkelhäutige Belle zwar nicht an den Familienmahlzeiten teilnehmen - bis aufs saloppe Frühstück, wo er im Schlafrock auftritt. Doch in zwei Prozessen entschied er gegen grausame Sklavenhaltergeschäfte und gilt so als einer der Wegbereiter zur Abschaffung der Sklaverei. Die Londoner Regisseurin mit ghanaischen Eltern, Amma Asante, schreibt diesen juristischen Mut dem Einfluss seiner aufmüpfigen, politisch enthusiasmierten Großnichte zu, "der Mulattin". Asante orientiert sich an typisch britischen Jane-Austen-Verfilmungen: die Etikette, die Kleider, die Ehe. Aber ihre Dialoge drehen sich weniger um Männer, als vielmehr um Gerechtigkeit. Ein Kostümfilm mit Message. Jutta Vahrson

GB 2013, R: Amma Asante. D: Gugu Mbatha-Raw, Tom Wilkinson, Matthew Goode, Penelope Wilton, Miranda Richardson, Emily Watson, 104 Min., Kinostart: 14. 8. 2014


Feuerwerk am hellichten Tage - Ach, diese Filmtitel. Werke aus der Fremde werden für den heimischen Kinomarkt gerne sentimental umbenannt. Dieses Opus aus China, Gewinner des Film-Goldbären und des Hauptdarsteller-Silberbären, lief auf der Berlinale noch als Black Coal Thin Ice (Schwarze Kohle, dünnes Eis). Und schwarze Kohle und dünnes harsches Eis spielen gewissermaßen auch Hauptrollen: Auf Tagebauhalden oder in Kohlewaggons liegen Leichenteile, während sich beim allfeierabendlichen Eislauftreff in der Bergwerksstadt Mörder und nächste Opfer gleichermaßen verraten. Der brutal langsame Serienkillerthriller funktioniert als Arbeiterdrama, in dem die Reinigungsangestellte so gepeinigt wirkt wie der Ex-Polizist als Kohlekumpel. Ruhepausen von diesem spannend inszenierten Elend sind laut geschlürfte Klöße im Bistro oder ein winterlicher Motorradklau und weitere bizarre Einblicke in eine ferne, oft unverständliche Welt. Abgesehen von den interkulturell mühelos nachvollziehbaren Problemen mit dem Drecksjob, der Liebe und dem Alkohol. Jutta Vahrson

VRC 2014, R: Yinan Diao. D: Fan Liao, Lun-Mei Gwei, Xuebing Wang, 106 Min., Kinodstart: 24. 7. 14