Ausgabe 06/2014
La Grande Dame des internationalen Neoliberalismus
Vierhundert Millionen Euro - was ist das schon? Sozusagen Peanuts, wie sich der ehemalige Chef der Deutschen Bank, Hilmar Kopper, auszudrücken pflegte. 400 Millionen Euro aus Steuergeldern hat die heutige Direktorin des Internationalen Währungsfonds (IWF), Christine Lagarde, in ihrer Amtszeit als französische Finanzministerin einem glücklosen Geschäftsmann hinterhergeschmissen - als "Entschädigung" für nicht erzielte Profite. Und so lief der Deal: Bernard Tapie, bekannt für unternehmerische Kreativität und Rührigkeit, verkaufte zum Zwecke der Sanierung seines Privatbudgets die Firma Adidas an ein Konsortium unter Regie der damaligen französischen Staatsbank Crédit Lyonnais. Für rund 315 Millionen Euro. Ein Schnäppchen für die Bank, wie sich erwies, denn die verkaufte Adidas nur zwei Jahre später für 700 Millionen, also mehr als das Doppelte. Kapitalismus eben. Dessen Prinzipien wollte Tapie für sich jedoch nicht gelten lassen, zog vor Gericht und verlangte 229 Millionen Euro Schadenersatz. Ein Prozess, der nicht vorangehen wollte, bis - welch glückliche Fügung - 2007 der Konservative Nikolas Sarkozy Einzug in den Elysée-Palast hielt und mit ihm Christine Lagarde als Ministerin der Finanzen. Der bis dahin vor Gericht erfolglose Tapie soll sich das etwas haben kosten lassen, seiner Unterstützung war Sarkozy jedenfalls sicher. Und umgekehrt offenbar auch. Von nun an ging alles ruckzuck. Lagarde rief ein privates Schiedsgericht an, und schon war das gewünschte Urteil da: 400 Millionen Euro Schadenersatz auf Staatskosten für den Sarkozy-Anhänger Tapie. Ein schöner Schnitt, 229 Millionen fordern und 400 bekommen. Das kam nicht überall gut an. Ende August wurde ein formelles Ermittlungsverfahren gegen Lagarde eröffnet, wegen "Nachlässigkeit im Amt". Ein Peanut wieder. Was ficht das eine IWF-Chefin an, sozusagen die Grande Dame des internationalen Neoliberalismus? Die will - Ermittlungen hin oder her - weiter ihrer Arbeit nachgehen. Was auch keine gute Nachricht ist für die Völker der Welt. Der Exekutivrat des IWF steht jedenfalls hinter Madame und teilte mit, er vertraue weiter auf ihre "Fähigkeit, ihre Pflichten zu erfüllen". Sicher. Sie wusste ja genau, was sie tat.
Maria Kniesburges