Björk: Vulnicura - Manchmal ist es dann doch bloß Musik. Musik als die Kunstform, die wie keine andere unverstellt Gefühle ausdrücken kann. Ausgerechnet Björk, die seit Jahrzehnten konzeptionelle Grenzen verschiebt, legt ein klassisches, wenn man so will altmodisches Liebeskummeralbum vor. Auf Vulnicura verarbeitet sie die Trennung von ihrem langjährigen Lebensgefährten und Vater ihrer Tochter, dem Medienkünstler Matthew Barney. Auf dem Cover sieht man die 49-jährige Isländerin mit einer riesigen klaffenden Wunde auf der Brust, in der Musik jaulen Geigen wie ein verwundetes Tier, Computerspiel-Sounds schießen quer und die Elektronik klappert irgendwie verwirrt. War Björks letztes, 2011 erschienenes Album Biophilia noch ein multimediales Gesamtkunstwerk mit zugehöriger Smartphone-App, in dem die irrsinnig avancierte Tonkunst zum Soundtrack degradiert wurde, steht die Musik nun wieder ganz allein da, blank und bloß. Björk singt Klagelieder, in denen sie den Zerfall ihrer Familie betrauert, sie singt von Wut und Trauer, Hoffnung und Verlust, sie singt lange nicht so verschlungen, wie man es von ihr kennt, aber dafür mit erschreckender Intensität in der Stimme. Vulnurica ist Blues fürs 21. Jahrhundert. Thomas Winkler

CD, Embassy Of Music/ Warner


Wanda: Amore - Sie kennen den Steppenwolf. Sie kennen James Dean. Sie kennen Männer, die sich selbst zu den Helden ihrer emotionalen Verwahrlosung stilisieren. Sie sollten jetzt Marco Michael Wanda aus Wien kennenlernen. Der ist Sänger, Songschreiber und Selbstdarsteller der Band, die völlig selbstverständlich seinen Nachnamen trägt. Während seine Mitmusiker umherrumpeln und träge rocken wie eine übertrieben lässige Horde Halbstarker, singt er so breitbeinig, wie er auf dem Cover des Debütalbums Amore posiert. Er singt, den Wiener Schmäh in der Stimme, von Typen, die zu viel trinken, und von Typen, die zu viel rauchen, von Typen, die sich an der Sehnsucht festhalten, und von solchen, die an der Leidenschaft leiden. Er singt von Liebe und von Sex, von menschlichen Abgründen und eigentlich immerzu bloß von sich: "Ich bin ein einfacher Typ ohne viel Hirn." Manchmal singt er auch schöne, traurige Weisheiten: "Am Ende seines Lebens wird ein jeder einsam sein." Wanda ist selbstverliebt und größenwahnsinnig, schrecklich männlich und doch ironiefrei, patzig und pathetisch, aber vor allem: sehr großartig. Thomas Winkler

CD, Problembär Records/ Rough Trade