Ausgabe 01/2015
Nach Rechts nicht andockfähig
Nach rechts nicht andockfähig
Der ver.di-Bundesvorstand bezieht Position in der öffentlichen Diskussion um die Pegida-Demonstrationen. Sein Motto: "Intoleranz und Hass entgegentreten!" ver.di publik dokumentiert den Beschluss
Wir Gewerkschafterinnen und Gewerkschafter treten für die Wahrung und Verwirklichung der Menschenrechte, für die Achtung der Menschenwürde, für ein friedliches Zusammenleben und für eine sozial gerechte Weltordnung ein. So steht es in der Satzung der Gewerkschaft ver.di. Die Vorgänge um die Pegida-Demonstrationen können uns daher nicht kalt lassen.
Flüchtlinge aufnehmen
Die Mehrheit der Bürgerinnen und Bürger ist dafür, dass Deutschland weiter Flüchtlinge aufnimmt. Die Pegida-Anhänger vertreten die gegenteilige Auffassung. Bei ihnen paart sich diese Ansicht häufig mit einer unübersehbaren Distanz zur Politik, ja zum Teil mit unverhohlener Verachtung für Parteien und Politiker. Das Wort von der "Lügenpresse" macht unter Pegida-Demonstranten die Runde. Viele unter ihnen glauben, dass das, was sie im Alltag bewegt, von Politik und Medien nicht aufgegriffen oder sogar unterdrückt wird.
Nachdem zunächst Hooligans, Skinheads oder rechte Schlägertrupps vergeblich versucht hatten, die Abscheu vor der Barbarei des sogenannten Islamischen Staates (IS) für ihre Zwecke zu instrumentalisieren und sich gesellschaftlich als Stoßtrupp gegen die Islamisierung zu profilieren - zu abstoßend war ihr Auftreten -, nun ein neuer Anlauf, um das Thema nach rechts andockfähig zu machen: jetzt biederer daherkommend, mit einer Propaganda, die eine "Islamisierung des Abendlandes" herbeifantasiert und sich dabei gegen Vernunft und Tatsachen abschottet.
Gegen Terror und religiös motivierte Gewalttäter vorgehen
Wie viele Muslime leben in Deutschland? Laut einer Umfrage meinen die Bürgerinnen und Bürger in Deutschland, es seien 19 Prozent. In Wahrheit sind es sechs Prozent.
Die Angst vor einer Islamisierung ist am größten dort, wo die wenigsten Muslime leben. In Nordrhein-Westfalen, wo jeder dritte Muslim zu Hause ist, fühlen sich von radikalen Islamisten, IS und salafistischen Hasspredigern 46 Prozent bedroht. In Sachsen, wo kaum Muslime leben, sind es 70 Prozent. Gegen Terror und religiös motivierte Gewalttäter muss man vorgehen. Hier werden aber noch andere Ängste sichtbar: Dies ist Ausdruck einer Öffentlichkeit, die sich durch Präsenz und Praxis einer Glaubensgemeinschaft herausgefordert fühlt, weil sie um ihren Identitätskern fürchtet. Pegida versucht, das zu instrumentalisieren mit dem Appell an den "patriotischen" Europäer, der sich vor einer "Islamisierung des Abendlandes" fürchtet.
Gerade in Deutschland, wo im Vorfeld des Nationalsozialismus vor der sogenannten "Verjudung" der deutschen Gesellschaft gewarnt wurde und der Druck und die Nöte der von der Weltwirtschaftskrise Bedrohten gegen eine religiöse Minderheit, gegen Demokratie, Parteien und die sogenannte "Systempresse" kanalisiert wurden, sollten wir sensibel sein, wenn heute eine religiöse Minderheit zum Sündenbock für strukturelle Probleme gemacht wird.
Herausforderungen annehmen
Statt mit falscher Problemdiagnose von der Suche nach Lösungen für die sozialen Probleme abzulenken, die in Angst vor Altersarmut und sozialem Abstieg, Prekarisierungserfahrungen und auch im Anpassungsdruck für ein als Einwanderungsland definiertes Deutschland liegen, müssen wir als Gewerkschafterinnen und Gewerkschafter diese Probleme aufgreifen und für die Verbesserung der Arbeits- und Lohnbedingungen der Menschen in unserem Land kämpfen: mit dem entschiedenen Bekenntnis zu einem aktiven Sozialstaat und mit der klaren politischen Botschaft für Integration und gegen Ausgrenzung.
Wir kämpfen für Löhne, die ein menschenwürdiges Leben ermöglichen, für auskömmliche Renten und für gute Arbeit. Und wir treten Intoleranz entgegen, egal, in welchem Gewand sie uns gegenübertritt, ob als islamistische Hasspredigt oder als verallgemeinernde Abwertung von Muslimen. Wir treten zugleich dafür ein, die Debatte um Integration und Zuwanderung zu versachlichen.
Die Aufnahme von Flüchtlingen ist eine humanitäre Verpflichtung und für beide Seiten auch eine Chance. Die Flüchtlinge von heute, die unsere Gesellschaft kulturell bereichern, können die integrierten Familien und Fachkräfte von morgen sein. Wer dies will, darf aber nicht darüber hinwegsehen, dass mit den zuletzt mehr als 200.000 Flüchtlingen natürlich auch neue Probleme ins Land kommen. Wer die Chancen für unsere Gesellschaft erkennt, muss die damit einhergehenden Herausforderungen annehmen. Da liegt bei der Eingliederung in den Arbeitsmarkt noch vieles im Argen, bedarf es sprachlicher Integrationsangebote, intensiver Berufsberatung, zügiger Anerkennung von Abschlüssen, wirksamer Unterstützung der Städte und einer Finanzierung der Flüchtlingsunterkünfte aus dem Bundesetat.
Wir setzen uns als Gewerkschaft für eine demokratische, offene Gesellschaft ein, gegen "völkische" Ab- und Ausgrenzung, für eine Gesellschaft, in der Freiheit, die Einhaltung der Grundrechte und soziale Gerechtigkeit zentrale Werte sind und die Würde des Menschen als unveräußerlich geachtet wird - allen gegenüber gleichermaßen.
Gemeinsam sind wir aufgerufen, Intoleranz und Hass entschieden entgegenzutreten.
Wir setzen uns als Gewerkschaft für eine demokratische, offene Gesellschaft ein, gegen "völkische" Ab- und Ausgrenzung, für eine Gesellschaft, in der Freiheit, die Einhaltung der Grundrechte und soziale Gerechtigkeit zentrale Werte sind und die Würde des Menschen als unveräußerlich geachtet wird - allen gegenüber gleichermaßen.