Die Entlassenen tragen bei der Mahnwache die Westen ihres Gewerkschaftsdachverbands DISK

"Sie haben uns über Nacht rausgeworfen. Und wie Verbrecher behandelt." Muhamer Bey wird auch Ende Januar noch wütend, wenn er erzählt, warum er jetzt im kalten Zelt sitzt, statt im Krankenhaus zu arbeiten. "Dabei ging es nur um eine kleine Lohnerhöhung und etwas Fahrgeld, und dann so was!"

Beys Empörung hat ihren Grund. Am 6. Dezember letzten Jahres hat die Leitung der Universitätsklinik von Maltepe, eines großen Krankenhauses in Istanbul, das zur privaten Maltepe-Universität gehört, 98 Beschäftigte auf die Straße gesetzt. Die Entlassenen sind Reinigungskräfte und Hilfspfleger/innen. Manche haben mehr als zehn Jahre in der Klinik gearbeitet.

Auch Muhamer Bey ist seit über zehn Jahren dabei. Er sitzt mit Kollegen in dem Zelt, das sie auf dem Parkplatz der Klinik aufgebaut haben, um gegen den Rausschmiss zu protestieren. Im Zelt steht ein Ofen, sie haben Pritschen aufgestellt, auf denen jede Nacht einige Kollegen schlafen. "Unsere Mahnwache setzen wir Tag und Nacht fort", sagt Muharrem, ein anderer entlassener Mitarbeiter. "Bis sie uns wieder einstellen."

Worum es wirklich geht

Doch das kann noch dauern. Aus den Gesprächen über eine Gehaltserhöhung, die im April letzten Jahres begonnen hatten, hat die Klinikleitung jetzt einen Grundsatzkonflikt gemacht. Offiziell entließ man die 98 Beschäftigten, weil die Klinik sich entschlossen habe, die Reinigung sofort einem externen Subunternehmen zu übertragen. Alle Entlassenen, teilte die Klinikleitung mit, könnten sich bei dem Subunternehmen um Wiedereinstellung bewerben. Sie würden dort sogar höhere Löhne bekommen. Tatsächlich, erzählt Aslan, ein dritter in der Runde im Zelt, gehe es um etwas ganz anderes. "Wir wurden gefeuert, als wir der Klinikleitung mitgeteilt haben, dass wir in die Gewerkschaft Dev Saglik Is eingetreten sind, und naiverweise auch noch den Klinik-Konferenzsaal für eine Gewerkschaftsversammlung haben wollten. Danach haben sie uns gekündigt, weil sie keine Gewerkschaft im Haus wollen."

Das Verhalten der Uniklinik in Maltepe ist in der Türkei leider nicht ungewöhnlich. Grundsätzlich versuchen alle Unternehmen zu verhindern, dass sich ihre Beschäftigten gewerkschaftlich organisieren. Das ist nicht schwer, denn Gewerkschaften sind per Gesetz schlecht gestellt. Bevor sie in einem Betrieb für die Beschäftigten verhandeln dürfen, müssen sie nachweisen, dass sie mehr als 50 Prozent aller dort Beschäftigten organisiert haben. Damit es dazu nicht kommt, werden Gewerkschaftsmitglieder unter Vorwänden gefeuert, bevor das Quorum erfüllt ist.

Das gilt besonders, wenn es sich wie bei Dev Saglik Is um eine Gewerkschaft handelt, die zum linken Gewerkschaftsdachverband DISK gehört und sich couragiert für die Beschäftigten einsetzt. Dev Saglik Is wurde Anfang der 70er Jahre gegründet und unterstützt besonders das nicht-medizinische Personal in den Kliniken der Großstädte. Nach dem Putsch 1980 wurde sie verboten - wie alle zu DISK gehörenden Gewerkschaften - und konnte erst 1993 ihre Arbeit wieder aufnehmen. Die Dev Saglik Is gehört zu den armen Gewerkschaften, sie kann ihren gefeuerten Mitgliedern vom Klinikum in Maltepe finanziell kaum beistehen.

Unterstützung auch von Ärzten und Schwestern

"Trotzdem", sagt Aslan, "lassen wir uns nicht unterkriegen." Nur zehn der Entlassenen haben aus Not bei dem Subunternehmen angeheuert. Alle anderen wollen mit Hilfe der Gewerkschaft ihre Wiederanstellung durchsetzen. "Wir werden auch von den Ärzten und Krankenschwestern unterstützt", sagt Muharrem. "Sie wollen uns nicht verlieren." Was auch damit zu tun hat, dass in türkischen Krankenhäusern das sogenannte Reinigungs- und Hilfspersonal auch in die Betreuung der Patienten eingebunden ist. "Außer Operationen machen wir fast alles", sagt Aslan stolz, "dazu sind irgendwelche Leiharbeiter doch gar nicht ausgebildet". Dass es bei dem Konflikt nicht nur ums Geld geht, zeigen schon die geringen Beträge, die zur Debatte stehen. Im Durchschnitt bekam ein Hilfspfleger 900 bis 1000 Lira im Monat. Das ist wenig mehr als der Mindestlohn und entspricht etwa 350 Euro.

Nach knapp zwei Monaten Mahnwache mobilisiert Dev Saglik Is jetzt auch andere DISK-Gewerkschaften und versucht, die politische Opposition mit ins Boot zu holen. Mitte Januar hatten die Protestierenden bereits eine lange Liste mit Unterschriften gegen ihre Entlassung gesammelt, die sie dem Uni-Rektor überreichen wollten, doch der verweigerte die Annahme und schickte stattdessen die Polizei. Hilfe bekommen die Entlassenen von der Stadtverwaltung Maltepe, die von der oppositionellen Partei CHP gestellt wird. Die schickt warme Mahlzeiten und verspricht, Druck auf die Universität auszuüben.

Helfen kann auch internationale Unterstützung. Einfach unterschreiben auf www.labourstartcampaigns.net