So ein Leben in der Führungsriege kann richtig beschissen sein. Da kann es glatt passieren, dass die einem noch nach hunderten von Jahren im mumifizierten Kot rumstochern. Tut mir leid, wenn das alles etwas unappetitlich klingt, aber genauso ist es gerade dem einstigen Stadtherrn von Verona, Cangrande della Scala, ergangen. Und das nur, um herauszufinden, wer ihm seinerzeit 1329 so gehörig den Appetit verdorben hat, dass der nach Überlieferungen stattliche Beau in der Blüte seiner 38 Jahre innerhalb von vier Tagen verwelkte. Da ihn nicht die Pest dahingerafft hatte, musste es das Essen gewesen sein oder zumindest die zum Essen gereichte Medizin. Das jedenfalls hat jetzt der neuzeitliche Kotbefund ergeben. Man kennt das ja: Arsen auf Sahnehäubchen oder im Magenbitter - und tschüss, schöne Welt! So hat's schon Kaiser Claudius erwischt, und einige Herrscher nach ihm auch. Kein Wunder also, dass auch der neuzeitliche und noch ganz gegenwärtige türkische Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan aktuell ganz besonders um sein Leben fürchtet. Glaubte er vor zwei Jahren noch daran, jemand wolle ihn durch Gedankenübertragung zur Strecke bringen, hat er sich jetzt auf die Nahrung eingeschossen. In seinem ohnehin schon eine halbe Milliarde teuren Präsidentenpalast mit Überwachungskameras für 18 Millionen Euro hat er sich jetzt eigens ein Lebensmittellabor einrichten lassen. Dort kosten nicht mehr wie noch zu Kaisers Zeiten, sondern testen Experten sein Essen vor. Sie suchen nach aggressiven Bakterien, Chemikalien, Schwermetallen und radioaktiven Stoffen, die kurzen Prozess machen. Für alle Fälle stehen Erdogan dann immer noch fünf Leibärzte rund um die Uhr zu Diensten. Die hatte der Stadtgrande von Verona im übrigen auch. Genützt haben sie ihm aber rein gar nichts, denn einer von ihnen muss ihm wegen einer leichten Unpässlichkeit im Magen-Darm-Trakt Fingerhut untergejubelt haben. Heute wird der rote Fingerhut in homöopathischen Dosen gegen allerlei Herzleiden gegeben. Erdogan kann also selbst seinen Gemüsegarten drehen und wenden, wie er will: Der Mörder ist am Ende immer der Gärtner - oder der Arzt. Zu Risiken und Nebenwirkungen kann er dann im besten Fall nur noch seine Apotheker befragen.

Petra Welzel