Freundschaft - 626 Freundinnen und Freunde versammelt die amerikanische Fotografin Tanja Hollander auf ihrer Facebook-Seite. Über drei Jahre hat sie damit verbracht, alle Facebook-Freunde zu besuchen und zu fotografieren. Ihre Arbeit, die jetzt gleich einer Tapete in der Ausstellung Freundschaft im Deutschen Hygiene-Museum in Dresden zu sehen ist, hat sie "Are you really my friend?", "Bist du wirklich mein Freund?" genannt. Dies ist auch die große Frage dieser Ausstellung: Wann ist ein Freund ein Freund? Oder: Wann ist Freundschaft wirklich Freundschaft?

Wie zu erwarten, gibt es auf diese Frage nicht nur eine Antwort. Und je nach eigener Haltung fallen die Antworten immer auch ein bisschen anders aus. Bevor man nämlich die fünf großen Ausstellungsräume betritt, aktiviert man erst mal einen Chip mit seinem persönlichen Besucher/innenprofil. Dafür muss man Fragen wie "Schließt Sex Freundschaft aus?" beantworten. Es ist eine der Fragen, die sicherlich nicht alle mit "natürlich nicht" beantworten werden. Und so mäandert man durch diese Ausstellung, vorbei an Staats-, Brief-, Tier-, Facebook- und einigen anderen Freundschaften, und ist immer wieder erstaunt darüber, wie sich die Begleittexte zu einzelnen Facetten des Themas ändern, wenn man sein Profil abruft.

Auch für Kinder gibt es ein Profil, allerdings eines für alle. Kindgerecht wird versucht, den jungen Besucher/ innen zu verdeutlichen, dass die Freundschaft zu Tieren möglicherweise keine beiderseitige ist. Schließlich könnten sich Haustiere ihre Freunde ja nicht aussuchen. Sie werden gekauft, man bekommt sie geschenkt und sie müssen sich dann zwangsläufig befreunden. Das eigene Kind will davon nichts wissen. Selbstverständlich sei der Kater zuhause der beste Freund, der schnurre doch immer.

Viel Zeit kann man vor allem vor dem großen "Atlas der Freundschaft" verbringen, eine riesige, ausgeleuchtete Karte. Im Zentrum dehnt sich dort die Freundschaft auf weiter Flur aus. Zur Liebe muss man bereits einige Berge und Klippen nehmen, während der Sex einem Gipfelsturm gleichkommt, zu dessen Füßen zum einen der kleine "Baggersee" und zum anderen der üppige "Fjord des Eros" liegt. Der Atlas ist ganz sicher einer der Höhepunkte dieser Themenausstellung, die man - wenn auch noch mit offenen Fragen - ganz und gar befriedigt wieder verlässt. Petra Welzel

DEUTSCHES HYGIENE-MUSEUM, LINGNERPLATZ 1, DRESDEN, BIS 1. NOVEMBER 2015, DI-SO 10-18 UHR


Gehorsam - Ob Judentum, Christentum oder Islam, alle drei Religionen basieren auf der Geschichte von Abraham, dessen Glaube so groß und fest ist, dass er sogar bereit dazu ist, seinen einzigen, lange ersehnten Sohn für diesen Glauben zu opfern. Es ist mutig, in Zeiten, in denen selbsternannte Gotteskrieger tödliche Attentate auf unschuldige Menschen verüben, eine Ausstellung über dieses alttestamentarische Thema mit dem zunächst provokanten Titel Gehorsam zu zeigen. Aber diese sehr einfühlsame Installation des Filmemachers Peter Greenaway und der Multimediakünstlerin Saskia Boddeke über 15 Räume führt ihre Betrachter/innen durch die Geschichte und teils auch Gegenwart, um zu zeigen, wo zu gehorchen von Nutzen ist und wo falsch verstandener Gehorsam beginnt. Im Epilog bindet ein kleiner Junge, unterstützt von einem älteren Mann, seine Schnürsenkel. Von hier an begleitet einen die immer gleiche Musik durch Räume, die nicht unterschiedlicher sein könnten. Jeder Raum ist aber auf eine besondere Art sinnlich erlebbar. Und kein Raum lässt daran zweifeln, dass das menschliche Drama Abrahams für vermeintlich höhere Motive missbraucht wurde und wird. Petra Welzel

JÜDISCHES MUSEUM BERLIN, LINDENSTR. 9-14, BIS 13. SEPTEMBER, MO 10-22 UHR, DI-SO 10-20 UHR


Erwin Wurm. Fichte - Der Currybus ist wie gemacht für die Stadt Wolfsburg. Ein alter Bulli, curryfarben, hoch glänzend zwar, aber irgendwie aus dem Leim gehend, steht er in der VW-Stadt vor dem Kunstmuseum, als würde er zu einer Verballhornung des Volkswagen einladen. Aber in der großen Ausstellungshalle bekommt dann auch ein Mercedes sein Fett weg. Ein übergroßes menschliches Bündel ist auf das Dach einer schwarzen Stern- Limousine gekracht mit den entsprechenden Folgen. Willkommen in Erwin Wurms deutschem Tannenwald! Die Ausstellung des österreichischen Bildhauers findet in der Reihe Künstlerprojekte statt, und Erwin Wurm konnte offenbar nicht anders, als in der Autostadt neben des Deutschen liebsten Stücks auch noch den deutschen Wald gegen den Strich zu bürsten. Deshalb hängen jetzt im Museum die Fichten verkehrt herum von der Decke und andere Waldgeister pflastern den Parcours. So wandert man durch ein modernes Kuriositätenkabinett, in dem das nicht Normale zum Individuellen wird. Und in diesem Wald lässt sich dann tatsächlich sagen: Die Gedanken sind frei. Petra Welzel

KUNSTMUSEUM WOLFSBURG, HOLLERPLATZ 1, BIS 13. SEPTEMBER 2015, DI-SO 11-18 UHR