"Der Jetztwelt ein Leitstern": Der Correspondent

Premiere: Die erste Seite der ersten Ausgabe des neuen Blattes. Johannes Gutenberg, der Erfinder des Buchdrucks, steht auf der Erdkugel, eine leuchtende Fackel in der Hand

Acht Seiten Umfang hat er, Der Correspondent, die "Wochenschrift für Deutschlands Buchdrucker und Schriftgießer", als er 1863 zum ersten Mal erscheint. Er enthält Berichte über die Berufs- und Arbeitswelt und über Tarifbewegungen. 150 Jahre haben seither Generationen von Gewerkschafter/innen des Buchdruckerhandwerks die Zeitung und ihr Nachfolgeorgan bekommen und gelesen.

Und so fing alles an: Als im Königreich Sachsen das Versammlungs- und Koalitionsverbot für Arbeiter aufgehoben wurde, das seit der gescheiterten Revolution von 1848 die Arbeiter- und Gewerkschaftsbewegung drangsaliert hatte, nutzten die Buchdruckergehilfen in Leipzig ihre Chance und gründeten den "Fortbildungsverein für Buchdrucker". Sie wollten vor allem auch ein gewerkschaftliches Blatt herausgeben. Der Correspondent sollte es heißen.

Ein Ausschuss wird eingesetzt, Geld für die erforderliche Kaution von 1.500 Mark über Anteilscheine gesammelt, zwei Redakteure werden gewählt. Am 1. Januar 1863 erscheint Der Correspondent erstmals . Er ist nicht als lokales Gewerkschaftsblatt konzipiert. Das zeigt schon der Untertitel: Wochenschrift für Deutschlands Buchdrucker und Schriftgießer. Die Redaktion betont: "Unser Blatt (wird) allenthalben im deutschen Vaterlande freudig begrüßt werden." Und ist überzeugt: "Es dürfte wohl kaum eine Zeit gegeben haben, in welcher das Bedürfnis gegenseitiger Mitteilungen unter Deutschlands Buchdruckern, Schriftgießern und den Angehörigen der übrigen graphischen Künste so deutlich sich ausgesprochen hätte, als in der Jetztzeit."

Auch wohl einen Strauß ausfechten

Noch gilt außerhalb Sachsens das Koalitionsverbot, deshalb soll Der Correspondent der Ort sein, wo die Buchdrucker, "wenn auch nur im Geist, miteinander bekannt werden, uns gegenseitig aussprechen, auch wohl einen Strauß ausfechten können". Dafür wird die Rubrik "Correspondenzen" eingerichtet. Der Correspondent wird die Informations-Drehscheibe für deutschsprachige Buchdrucker. Hier berichten Vereine von ihrer Gründung, schildern Johannisfeiern, veröffentlichen Statistiken über Unterstützungsleistungen. Dabei schrecken die Autoren auch vor, wie sie es nennen, "Denunciation" nicht zurück. So wird aus Kassel berichtet, dass ein "angeblicher Setzer und Lithograph namens Julius Heinrich aus Berlin sich das Viaticum", also das Reisegeld, erschwindeln wollte.

150 Jahre jung

Von der Buchdruckergewerkschaft zu ver.di

Die Redaktion verfolgt auch berufliche Anliegen, verspricht jedoch, "die allgemeinen Arbeiter-Angelegenheiten zu keiner Zeit aus dem Auge (zu) verlieren". Stets hat das Blatt einen profilierten Aufmacher, zum Beispiel "Zur Frauenfrage vor dem Setzkasten", erläutert die Geschichte der hebräischen Schrift, informiert über Gesetze, so über das "Gesetz betr. das Urheberrecht an Schriftwerken, Abbildungen, musikalischen Kompositionen und dramatischen Werken". Die Zeitung muss sich am Markt behaupten: Sie kann nur im Abonnement erworben, vierteljährlich neu bestellt und bezahlt werden - eine Herausforderung.

Unermüdlich wirbt die Redaktion für den Organisationsgedanken. Sie lädt zum Buchdruckertag im Mai 1866 nach Leipzig ein. Der Deutsche Buchdruckerverband wird gegründet. Der Correspondent veröffentlicht die Beschlüsse, die "Bestimmungen des deutschen Buchdruckerverbandes", die Satzung. Geregelt ist hier: Die Commission, also der Vorstand, bedient sich "als Organ zu allen erforder- lichen Bekanntmachungen usw. (...) des in Leipzig erscheinenden ‚Correspondent‘". Die Zeitung ist ab jetzt also auch gewerkschaftliches Verlautbarungsorgan. Neue Rubriken kommen hinzu: "Quittung über eingegangene Beiträge" und "Verbands-Nachrichten".

Die zweite Generation

Während des erfolgreichen Kampfes um den ersten Reichstarif für Buchdrucker 1873 erweist sich das Blatt als engagierte Streikzeitung, ruft zur Solidarität auf und warnt vor Streikbrecherarbeiten. Die Zeit des Sozialistengesetzes 1878 bis 1890 überlebt der Verband als Unterstützungs-Verein Deutscher Buchdrucker. In dieser Zeit erscheint Der Correspondent als Informationsblatt, ohne politische Berichte.

Es folgt die Ära des Kaisers Wilhelm II., mit Uniformgepränge und Aufmärschen. Der Buchdruckerverband erlebt einen Mitgliederboom. Von 16.000 im Jahr 1890 steigt die Zahl bis 1913 auf fast 69.000. Diese Entwicklung wird durch den Krieg beendet. Als Deutschland am 1. August 1914 Russland den Krieg erklärt, ist in der Zeitung nichts von Hurrapatriotismus zu spüren. Eher nüchtern wird auf die befürchteten Folgen bei einem Sieg des zaristischen Russlands hingewiesen, den "Niedergang der Kultur". Der Korrespondent, wie er seit 1906 geschrieben wird, steht damit - wie die deutschen Gewerkschaften - an der Seite des Vaterlandes. Der Aufbau des Blattes ändert sich: Statt acht Rubriken gibt es 14. Dazu gehört die Auflistung der Opfer des Krieges ebenso wie die Rubrik "Von Buchdruckern im Kriege". Da heißt es dann etwa: "Für vorbildliche Pflichterfüllung im Kriegsdienst erhielt von den im Felde stehenden Mitgliedern der Organisation das Eiserne Kreuz: Hermann Otto (Halle a.S.)."

Als der Krieg zu Ende ist, zeigt sich der Korrespondent erleichtert, zugleich besorgt wegen der hohen Reparationsforderungen, die Deutschland zu bezahlen hat. Umso wichtiger sei es nun, den Verband zum Sammelpunkt zu machen. Der Appell lautet: Schließt und stärkt unsere Reihen.

Die Krise

Nach der Revolution 1918/19 ist die Zeit reif für gewerkschaftliche Organisation: Anerkannt als Tarifpartner, ausgestattet mit dem Recht auf Koalition und die Bildung von Betriebsräten wächst die zurückgegangene Mitgliederzahl der Buchdrucker von knapp 29.000 im Jahr 1917 bis 1921 erneut auf 75.000. Doch die zunehmende Inflation wird zu einer Bedrohung für die Existenz der Zeitung.

4,2 Millionen Mark beträgt der monatliche Bezugspreis ab Oktober 1923. Wer soll das bezahlen? Immerhin: Der Spitzenwochenlohn für Gehilfen liegt zu der Zeit bei 1,5 Milliarden. Vergleicht man Lohn und Bezugskosten für den Korrespondent, sei die Zeitung "spottbillig", so die Redaktion. Und bittet: Niemand dürfe jetzt als Abonnent abspringen. Der Monatswechsel von September auf Oktober 1923 bringt einen Rückgang der Auflage von 54.000 auf 30.000. Die Arbeitslosigkeit macht sich bemerkbar. Gefordert sind jetzt vor allem die voll beschäftigten Verbandsmitglieder. Ein Leser schreibt: "Ein arbeitendes Verbandsmitglied, dem 4,2 Millionen Mark im Monat zu viel sein sollten, der sollte sich begraben lassen."

Am 5. Dezember 1923 ist der Spuk vorbei: Das Monatsabo kostet 30 Goldpfennige. Die Organisation beginnt, sich von der Krise zu erholen. 1930 zählt der Verband mehr als 90.000 Mitglieder.

"Verboten!"

Am 30. Januar 1933 wird Hitler zum Reichskanzler ernannt. Ab jetzt ändert sich alles. Zwei Wochen später haben das auch die Gewerkschaften begriffen. Deutlich wird das in ihrem Wahlaufruf zur Reichstagswahl am 5. März 1933, den der Korrespondent abdruckt. Es gelte, das neue Deutschland gegen den Generalangriff seiner inneren Feinde zu verteidigen. "Für Volksherrschaft gegen Diktatur, für ein freies, sozialistisches Deutschland".

Doch es ist zu spät. Auch wenn Hitler bei der Reichstagswahl nicht die absolute Mehrheit erhält, von der Macht ist er nicht mehr zu verdrängen. Bereits am 4. Februar hatte auf seine Veranlassung hin der senile Reichspräsident die "Verordnung zum Schutz des Deutschen Volkes" erlassen. Das bedeutete auch, dass kritische Zeitungen verboten werden konnten. Der Korrespondent ist davon betroffen. "Verboten": So lautet die Botschaft der Ausgabe vom 15. März 1933. Das Erscheinungsverbot gilt bis zum 25. März.

Spätestens ab jetzt gibt es in der Redaktion die "Schere im Kopf". Der Anpassungskurs entspricht der Haltung der deutschen Gewerkschaften. Sie begrüßen sogar die Umwidmung des 1. Mai zum "Nationalen Feiertag der Arbeit" durch die Nazis und rufen ihre Mitglieder auf, daran teilzunehmen. Der Korrespondent tut das am 22. April 1933. Doch der Anpassungskurs nützt nichts. Am 2. Mai 1933 werden die Gewerkschaftshäuser besetzt, die freien Gewerkschaften zerschlagen.

Das Wappen der Buchdrucker geht laut Legende auf die Verleihung durch Kaiser Friedrich III. und seinen Sohn zurück. Greif und Doppeladler halten die Werkzeuge der Drucker

Über die Besetzung schreibt der Korrespondent: "Am 2. Mai, 10 Uhr, besetzte die SA ... das Gebäude der Hauptverwaltung des Verbandes der Deutschen Buchdrucker.... Die Besetzung erfolgte reibungslos. Sämtliche Angestellten erklärten sich bereit, ihre Tätigkeit weiter auszuüben und mitzuarbeiten, damit die Rechte der Mitglieder gesichert und vor dem drohenden Verfall bewahrt blieben. Zur Sicherung und Wahrung eurer Interessen mussten der Leiter des Verbandes, Herr Otto Krautz, und die beiden Redakteure, Schaeffer und Helmholz, vorläufig in Schutzhaft genommen werden."

Der Korrespondent ist in der Hand der Nazis. Ende 1933 wird er schließlich eingestellt. Was folgt, sind Nazi-Terror und Vernichtung.

Neuanfang und neuer Name

Erst beim Wiederaufbau der Gewerkschaften nach dem Zweiten Weltkrieg erscheint erneut ein freier gewerkschaftlicher Korrespondent, am 15. Oktober 1947 in der Britischen Zone, das Mitteilungsblatt der Industriegewerkschaft Graphisches Gewerbe und Papierverarbeitung.

Der Titel macht deutlich, dass man sich bewusst für den Traditionsnamen entschieden hat: "Wir geben damit einen Beweis der gewerkschaftlichen Verbundenheit und bahnen den Weg zur Zusam- menarbeit mit unseren Freunden über Zonengrenzen hinweg." Denn die Zeitung gibt es auch in der amerikanischen und in der sowjetischen Besatzungszone.

In der DDR erscheint der Korrespondent bis 1962, im Westen Deutschlands hat der Name nicht lange Bestand. Als die IG Druck und Papier 1948 in München gegründet wird, beschließen die Delegierten, dass ihr Publikationsorgan Druck und Papier heißen soll. Buchbinder, Lithographen, graphische Hilfsarbeiter - alle hatten bis 1933 eigene Publikationsorgane. In der neuen Einheitsgewerkschaft gibt es für ein gemeinsames Blatt einen neuen Namen. Und: "Wir können nicht mehr die Tradition der alten Gewerkschaftszeitungen fortsetzen, sondern müssen uns der Modernisierung des Zeitungswesens anpassen und völlig neue Wege gehen", heißt es in der ersten Ausgabe.

Begonnen hatte der Weg 1863 mit den Wünschen der Redaktion: "So gehe hinaus in die Welt, liebes Blättlein. Der Geist unseres Altmeisters Gutenberg begleite dich und halte seine Schwingen schützend über dir, damit du seiest der Jetztwelt ein Leitstern und eine Richtschnur, der Nachwelt ein Segen." 150 Jahre danach wissen wir, der Wunsch ging in Erfüllung.

ver.di feiert ein doppeltes Jubiläum

ver.di feiert. 2016 jährt sich die Gründung der ältesten Vorgängergewerkschaft, der Buchdruckergewerkschaft, zum 150. Mal, ver.di wird im nächsten Juni 15 Jahre alt.

Am 20. Mai 1866 wurde der Verband der Deutschen Buchdrucker in Leipzig gegründet. Zu diesem Jahrestag eröffnet 2016 in der ver.di-Bundesverwaltung in Berlin eine Ausstellung über den gewerkschaftlichen Kampf für Demokratie und Menschenrechte.

Mit einer Jubiläumsveranstaltung in der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften am Gendarmenmarkt in Berlin feiert der Gewerkschaftsrat mit zahlreichen Gästen dann am 28. Juni 2016 eine trotz vieler Hürden und Rückschläge erfolgreiche Geschichte: Auf die eigene Kraft vertrauend, mit klarem Blick auf die heute anstehenden Herausforderungen.

150 Jahre jung

Von der Buchdruckergewerkschaft zu ver.di ver.di feiert ein doppeltes Jubiläum

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