Ensemble FisFüz: Bosai

Eine deutsch-türkische Freundschaft, wie man sich sie auch im größeren Maßstab wünscht: Seit nunmehr 20 Jahren formen Anette Maye (Klarinette), Murat Coskun (Percussion) und Gürkan Balkan (arabische Laute Oud und Gitarre) aus türkischer, mediterraner, arabischer und südindischer Musik ihren unverwechselbaren Orient-Sound. Musikalische Abenteuerlust, hohe Improvisationskunst und eine niemals versiegende Neugier für das Fremde, das Andersartige kennzeichnen ihr Trio FisFüz. "20 Years of Oriental Jazz" lautet der ergänzende CD-Titel. Vom Wörtchen "Jazz" soll sich niemand irritieren lassen, denn mit Jazz im herkömmlichen Sinn hat der ganz eigene FisFüz-Sound wenig zu tun. Stattdessen überzeugt das Trio mit seinem weit verästelten und dennoch homogenen Beziehungsgeflecht verschiedenster Einflüsse und trägt der veränderten, multikulturellen Lebenswelt in der Bundesrepublik Rechnung. Damit ist FisFüz dem Mainstream diesbezüglicher Diskussionen um Lichtjahre voraus. Wenn Musik dazu beitragen könnte, Gräben zu überwinden, dann sind die drei von FisFüz auf dem besten Wege dahin. Peter Rixen

CD, PIANISSIMO / EDEL


The Kills: Ash & Ice

Folgt man der Regenbogenpresse, kann man erfahren, dass das britische Supermodel Kate Moss sich neu verliebt hat, und zwar in den deutschen Grafen Nikolai von Bismarck. Folgt man der Musikpresse, dann ist zu erfahren, dass Moss' baldiger Ex-Ehemann Jamie Hince eine böse Verletzung an der Hand, die er zum Gitarrespielen braucht, überstanden hat. Ersteres ist auf Ash & Ice von The Kills, der gemeinsamen Band von Hince und Alison Mosshart, nicht sofort zu hören, letzteres allerdings deutlich. Der 47-jährige Jamie Hince musste sein Instrument vollkommen neu erlernen, entsprechend reduziert und spartanisch, aber auch effektiver und kraftvoller klingt sein Gitarrenspiel nun. Dafür ist der Gesamtsound des Duos, das bislang nahezu allein auf das rohe Zusammenspiel von Gitarre und Stimme setzte, üppiger geworden, sind mehr Klangfarben als je zuvor zu hören. Generell klingen The Kills lange nicht mehr so kühl und sachlich wie einst, sondern sehr viel emotionaler, auch weicher und verletzlicher, passend zu Mossharts Texten, die von Liebesleid und Selbstzerstörung künden. Ganz passend zur Lebenskrise von Jamie Hince, die demnächst, wie auch schon der Boulevard bereits frohlockt, in einen Scheidungskrieg münden könnte. Thomas Winkler

CD, DOMINO RECORDS/GOODTOGO


Violent Femmes: We Can Do Anything

Die Kritiker liebten sie. Die Schrägen liebten sie, die Ungeliebten und die Seltsamen. Die, die anders sein wollten, liebten sie erst recht. Trotzdem - oder gerade deshalb, was ja nur logisch wäre - blieb den Violent Femmes der umfassende Erfolg immer verwehrt. Die 1980 in der US-amerikanischen Bierhauptstadt Milwaukee gegründete Band verkaufte zwar allerhand Platten, landete aber nie einen Mainstream-Hit. Stattdessen stand die drei Mal aufgelöste und drei Mal wiedervereinigte Combo wie kaum eine andere für die Gegenkultur. Die Violent Femmes waren verwurzelt im Punk, haben den Indie-Rock entscheidend geprägt, den Lo-Fi-Sound begründet und die Americana für die Nachwelt gerettet. Und sie klingen trotz der Last dieser Geschichte auch im vierten Jahrzehnt ihrer Bandgeschichte auf We Can Do Anything, ihrem erst neunten Album, immer noch erstaunlich rostfrei. Oder eben gerade so klapprig wie ein altersschwacher Camping-Stuhl. Frontman Gordan Gano singt über die Ironie von großen Autos, die Lächerlichkeit des Heiligen Geists und die Überflüssigkeit des Reisens, aber viel wichtiger: Die Songs sind so leidenschaftlich hingerotzt wie eine ungeliebte Klassenarbeit. Als die Violent Femmes begannen, dachten ihre Fans noch, man könnte die Welt retten, wenn die Musik nur kaputt genug klingen würde. Heute ist die Welt so kaputt, wie die Femmes damals klangen und heute immer noch klingen. Thomas Winkler

CD, PIAS / ROUGH TRADE