Ausgabe 04/2016
Über kurz oder lang
Einen langen Atem muss er schon haben, der Gewerkschafter. Natürlich auch die Gewerkschafterin. Langatmig darf er oder sie aber niemals sein. Schon gar nicht in kurzweiliger Runde. Es könnte sonst in kurzer Zeit lähmende Langeweile aufkommen. Wer aber nur einen kurzen Atem hat, läuft auf lange Sicht Gefahr, die Weitsicht zu verlieren, die unbedingt notwendig ist, um langfristig kurzsichtige Manöver zu vermeiden. Zudem wird es kaum gelingen, langer Rede einen kurzen Sinn zu geben, wenn man immer alles lang und breit erklärt. Wer dieses Gebot nicht erhört, dem sollten kurzerhand wahlweise die allzu kurzen Ohren oder die Hammelbeine lang gezogen werden. Und - ganz wichtig: Traue nie einem Debattenredner, der seinen Wortbeitrag einleitet mit dem Versprechen: "Ich werde mich kurz fassen." Denn er wird garantiert kurzen Prozess machen mit der Langmut des Publikums. Kurz und gut: Es wurde hier mal wieder kurz und bündig dargelegt, wo es lang zu gehen hat. Und fürs Protokoll wünscht der Autor dieser Kurzprosa sich nun "lang anhaltenden Beifall".