Der Schnitt macht die Moderne

Die Macht der Mode

Die moderne Frau mit ihrer Kleidung ist ein Kind der industriellen Epoche, war der Arzt und Dadaist Richard Huelsenbeck überzeugt. Wie recht er damit hatte, zeigt die Ausstellung Die Macht der Mode. Sie präsentiert das ganze Spektrum der gesellschaftlichen Veränderung von der Kaiserzeit bis zum Ende der Weimarer Republik am Beispiel der Mode.

Dabei bildet die Veränderung der Mode durch die Arbeitswelt einen Schwerpunkt. Frauen wurden in der aufstrebenden Industrie, im Handel und in der Telekommunikation als Arbeitskräfte gebraucht. Wenn auch die Anzahl der erwerbstätigen Frauen stetig zunahm, sich vom althergebrachten Kleidungsstil zu lösen, fiel ihnen schwer. Sie trugen Korsett, die hochgeschlossenen Kleider, mehrere Lagen Unterröcke und eine im Schritt offene Unterhose.

Letztere fiel den Gewerbeinspektoren und Arbeitsmedizinern schnell als Ursache für den hohen Krankenstand bei Frauen auf. Chemikalien, Staub und Dreck in den Fabrikhallen reizten die Schleimhäute und so verordneten um 1900 Werksleiter ihren Arbeiterinnen geschlossene Unterhosen und "Beinkleider", also Hosen. Trotz aller Vorteile, beliebt war diese Kleidung nicht. Die Frauen klammerten sich an ihren alten Kleidungsstil und entwickelten kuriose Kreuzungen: Ein schwarzer Overall, dessen Oberteil mit Ballonärmeln, Spitzeneinsatz, Biesen und Schleifen wie bei einem Kleid reichlich verziert ist.

Aber nicht nur in den Fabrikhallen mussten sich Frauen an andere Kleidung gewöhnen. In den Telefonvermittlungen wurden lange Kleider, ob mit oder ohne Schleppe, verboten. Ingenieure hatten erkannt, dass die empfindlichen Apparaturen störanfällig wurden, wenn Staub aufgewirbelt wurde. In der Folge rutschte der Rocksaum auf Knöchelhöhe hoch. Noch weiter nach oben, mindestens auf Wadenhöhe, wurde der Saum den Verkäuferinnen in den neuen Kaufhäusern verordnet, um männliche Kunden zum Konsum zu animieren.

Dagegen waren die Kleiderordnungen in Büros vergleichsweise harmlos. Die Frauen mussten, um Rückenschäden zu vermeiden, auf das Korsett verzichten und hatten auf bequeme und abwechslungsreiche Kleidung zu achten. Rock und Bluse setzten sich durch, um schnell und günstig das Outfit zu ändern.

Die gerade geschnittenen, sogenannten Reformkleider, die sich in der aparteren Variante in den Charlestonkleidern wiederfinden, setzten sich bei der breiten Bevölkerung erst im Laufe der Zeit durch. Es ist ein Mythos, dass die Mehrheit der Frauen das Korsett lustvoll ablegte. Auch die Charlestonlady mit Zigarettenspitze und Bubikopf ist ein Klischee, das allenfalls in Künstlerkreisen und später auch in der gehobenen Gesellschaft gelebt wurde. Die meisten Frauen wurden zum Schritt in die textile Moderne erst durch ökonomischen Zwang gebracht. Martina Schneiders

Die Macht der Mode, Zwischen Kaiserreich, Weltkrieg und Republik, LVR-Industriemuseum, Textilfabrik Cromford, Cromforder Allee 24, 40878 Ratingen, bis 30. Oktober 2016

http://www.industriemuseum.lvr.de


Bist du noch ganz frisch?

Manchmal sind sie richtig nützlich, Warenautomaten im öffentlichen Raum oder auf öffentlichen Toiletten. Tampons, Seife, Rasierer und vieles mehr spenden sie für den Einwurf einer Münze, wenn man es gerade benötigt, aber nichts davon zur Hand hat. Früher konnten sich Frauen auch ihre mit einer Laufmasche versehene Perlon-Strumpfhose an einem Automaten ersetzen, wenn abends die Geschäfte schon geschlossen, aber sie schon unterwegs waren. Das Deutsche Automatenmuseum hat jetzt in einer Sonderausstellung solche Automaten aus den Jahren 1893 bis 1979 wieder aufgestellt. Unter drei Aspekten: Körperpflege, Körpergefühl und Körperbewegung. Um 1900 herum war es allerorts noch üblich, seine Kräfte an Automaten zu messen oder sich mit einem Elektrisierer einen kurzen Kick zu verschaffen. Auch Parfum spendete so mancher Apparat für ein kleines Entgelt, wenn man dabei ins Schwitzen geriet. Hauptsächlich geblieben sind bis heute Kondomautomaten, die es seit den 50ern gibt. Manchmal fehlt aber tatsächlich einer der anderen Warenspender. Im Automatenmuseum kann man sie sich immerhin noch ansehen. Petra Welzel

Deutsches Automatenmuseum, Schlossallee 1, 32339 Espelkamp, bis 27. November, Di-Fr 10-17 Uhr, Sa/So 11-18 Uhr


Migration.

Wanderungsbewegungen hat es in der Geschichte der Menschheit schon immer gegeben. Bis der Mensch sesshaft wurde, ist er stets gewandert, hat sich mal hier, mal dort einen Lebensraum erschlossen. Mit dieser Grundannahme hat das Verkehrsmuseum Dresden eine Ausstellung erarbeitet, die sich mit den individuellen Beweggründen von Menschen beschäftigt, ihre Heimat zu verlassen. In einer beispielhaften Auswahl vom 18. Jahrhundert bis in die Gegenwart erzählen Frauen und Männer, warum sie nach Deutschland gekommen sind, aber auch, warum sie Deutschland verlassen haben. Interessant an dieser Ausstellung ist auch der zweite Fokus, den die Ausstellung beleuchtet. Nämlich inwieweit die Entwicklung von Verkehrsmitteln das Entstehen und den Verlauf von Wanderungsbewegungen beeinflusst. Alte Kutter und Schlauchboote haben da in den vergangenen Jahren eine wichtige Rolle übernommen. Sicher sind sie nicht, aber für die Flüchtenden oft der letzte Anker. Petra Welzel

Verkehrsmuseum Dresden, Augustusstr. 1, 01067 Dresden, bis 30. Dezember, Di-So 10-18 Uhr