Semer Ensemble: Rescued Treasure

Nur wenige Jahre lang kann der Jude Hirsch Levin im Berliner Scheunenviertel unter strengen Auflagen Kantoralmusik und Songs jüdischer Künstler für eine ausschließlich jüdische Klientel produzieren und vertreiben. In der Pogromnacht 1938 kommt sein Plattenlabel Semer (hebräisch für Gesang) zu einem jähen Ende, als die Nazis seine Privat- und Geschäftsräume verwüsten und 4.500 Schallplatten und 250 Matrizen auf der Straße verbrennen. Erst in den neunziger Jahren gelingt dem Musikethnologen Rainer E. Lotz die Rekonstruktion des Katalogs aus Schellack-Originalen, die in alle Welt verstreut waren. Seit nunmehr drei Jahren leitet der Pianist und Akkordeonist Alan Bern sein international besetztes achtköpfiges Semer Ensemble, um eine Auswahl von Songs wieder auferstehen zu lassen. Nicht etwa historisierend, sondern zeitgemäß, um eine Verbindung zwischen Geschichte und Gegenwart herzustellen. Die bewegenden Live-Aufnahmen aus dem Berliner Gorki Theater machen nun mit diesem beeindruckenden und fast vergessenen Teil jüdischer Kultur in Deutschland bekannt. Was für ein später Triumph! Peter Rixen

CD, Piranha / Indigo


The Strumbellas: Hope

Mit ihrem Hit Spirits stürmten die Strumbellas dieses Frühjahr die Radiosender und Spotifyplaylisten der gesamten Welt, doch man sollte der Versuchung widerstehen, dieses Lied tot zu nudeln und sich lieber das ganze Album der kanadischen Gruppe anhören. Das Cover von Hope wird von einer grausig-bunten Beerdigungsgesellschaft aus Walfischen, Skelettclowns, Aliens und Geschäftsleuten verziert, und genau hier haben wir ihn, den Kontrast, der den Dreh- und Angelpunkt der Strumbellas ausmacht: Düstere Texte über eine verlorene Jugend mit stetem Hang zur Selbstzerstörung werden mit munteren Ohrwurmmelodien, die in imposanten Chören samt Glockengeläut gipfeln, mit Indie-Folk, energischen Banjos und tanzbaren Beats verbandelt. Das ist zwar nicht unbedingt originell und erinnert zum Teil an die gefeierten Mumford & Sons, aber eine Gefühlsachterbahn wie Hope sie auslöst, kommt einem nicht allzu oft in die Ohren. Da möchte man sich in einen Haufen Decken vergraben, der gebrochenen Stimme von Sänger Simon Ward lauschen und eine Träne des Weltschmerzes verdrücken, um einen Track oder auch nur Refrain später abenteuerdurstig aufzuspringen und zu rufen: "Was kost' die Welt?" Feline Mansch

CD, Vertigo/Universal